Huangshan, China
Die Fahrt mit dem öffentlichen Bus in Hangzhou, Linie K102 ,(2RMB) dauerte doch etwas länger, als ich dachte. 18 Stationen quer durch die Stadt, die Straßen, wie üblich verstopf, brauchte der Bus eine Stunde bis zum West-Busbahnhof. Von dort sollte mich ein Überlandbus nach Huangshan Stadt (Tunxi) bringen. Ich musste mir nur noch eine entsprechende Fahrkarte kaufen. Beim Aussteigen aus dem Linienbus wollte mich bereits ein Minibusfahrer für paarundsiebzig fahren, aber Skepsis ist angebracht, wenn es auch einen regulären Busservice alle 50 Minuten gibt…
An den Ticketschaltern wieder lange Schlangen, dann bin ich dran, sage mein “Ni hao” und der junge Frau hinter dem Schalter steht es bereits ins Gesicht geschrieben – Oh nein, ein Dramatourist, der nix versteht. Doch ich sage langsam meinen Spruch auf Chinesisch auf, dass ich ein Ticket nach Huangshan (Tunxi) haben möchte und sie versteht mich!
Siehste, geht doch, wenn man sich zu verstehen bemüht! Gegen die Zahlung von 76RMB erhalte ich ein Ticket für den Bus, der zwanzig Minuten später abfahren soll.
Klappt alles wunderbar, in Huangshan hält der Bus in der Pampa, die sich Busdepot nennt und einige selbsternannte Taxifahrer buhlen um mich. Weitere 10RMB bringen mich die zwei Kilometer zur Oldstreet, leider ans falsche Ende, aber da muss ich eben durch. Meine Reisetasche hat zwei große Skaterrollen und erweist sich immer wieder als Goldstück, ja ist schon beinahe Geländetauglich. Die ziehe ich locker ein paar Kilometer hinter mir her, trotz des Gewichts von Dreißig Kilo.
An der Herberge angekommen, buche ich direkt meinen Transport zum Huangshan Nationalpark (6:15 morgens) und ein amerikanisches Frühstück zuvor (5:45) und dann auch noch ein Sandwich- Lunchpaket mit Wurst und Ei. Immerhin habe ich die Kosten dafür zuvor eingespart, weil ich nach dem IHYF Membertarif gefragt habe und der lag für die Superhochpreissaison (ab morgen) um zwei Euro die Nacht niedriger.
Nach dem Auspacken im Zimmer gönne ich mir ein Mittagsmahl (Hühnchen mit Pilzen und Gemüse) und tippe dabei diesen Eintrag. Danach geht es ab in die Stadt. Tunxi ist die provinziellste Stadt, die ich bisher in China gesehen habe. Hier ist alles ärmlicher, weniger herausgeputzt, unstrukturierter.
Ein Grund mag auch sein, dass Olympia oder die Expo weit weg sind, daher kein verschönerndes Auge der Obrigkeit auf die Stadt fiel.
Die Anbindung mit Autobahnen ist jedenfalls bereits gegeben: in hervorragender Ausstattung und Zustand, mit unzähligen langen Tunneln, die durch die Berge gefräst wurden. Der Standard, der hierzulande vielfach beim Infrastrukturaufbau erreicht wurde, ließe so manches südeuropäische Land vor Neid erblassen.
Und es wird weiter gebaut und erschlossen, das Land ist immerhin riesig. Während der Busfahrt meine ich an vielen Stellen Wiederaufforstungen gesehen zu haben – das ist allerdings auch bitter nötig, und an manchen karg erodierten Berghängen vielleicht nicht mehr möglich. Will das Land nicht seinen Lebensraum verlieren, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als mehr Nachhaltigkeit in den Alltag zu bringen. Gleiches gilt zwar auch für unser Land, und wir scheinen mir in der Hinsicht zum Glück Zwanzig Jahre vorraus zu sein. (Wobei der Rückbau von Betonwüsten erst in neuerer Zeit stattfindet) Das Tempo des Wandels scheint hier staatlich diktiert um ein vielfaches höher. Im Alltagsverhalten des einzelnen Bürgers ist davon noch nicht viel angelangt: da wird alles vollgerotzt, jeglicher Müll überall hingeworfen und im Zweifelsfall auch auf die Straße geschissen. Ja, es wird recycelt, aber das ist zumeist nur der Armut zu verdanken – viele Menschen leben hier vom Einsammeln weggeworferner Einwegflaschen: Plastikkrumen, emsig herausgepickt, sogar aus den tiefsten Tiefen pestilenzverseuchter Müllbehälter. Da ich den heutigen Tag hier in Tunxi gestrandet bin, werde ich ihn damit verbringen, das neuere Stadtgebiet zu erkunden und es ansonsten ruhig angehen zu lassen. Immerhin habe ich gestern meinen Allzeitrekord im Stufensteigen (Auf und Ab) gebrochen.
5:10 Aufstehen, 5:45 Frühstück, 6:15: Mit dem Minibus (18RMB) ging es lanwierig über mautfreie Straßen zur Huangshan Scenic Area (Huang=Gelb und Shan=Berg), dann mit dem Shuttlebus zum Eingang und Seilbahnstation (13RMB), dann folgte der Eintritt (230RMB der Park und 80RMB die Seilbahn) und es hieß eine Stunde Wartezeit, bis meine Gondel endlich in Bewegung setzte. Denn viele viele Busse waren schon vor uns da – geht halt schneller, wenn man die gerade, betunnelte Autobahn nimmt..
Oben angekommen, fängt es an zu regnen. Dicke fette Tropfen – Prima, also Regenhaube auf Rucksack, Schirm herausgeholt und los. Das Wetter wird allerdings schon kurz Zeit später besser und im Laufe des Tages brilliant, fast schon zu warm.
Ich habe noch nie solche Menschenmassen sich durch eine bergige Landschaft quälen sehen. Der gestrige Maifeiertag war definitv kein guter Zeitpunkt für den Besuch dieser Hauptattraktion und auch heute wird es nicht besser sein. Die wunderschöne Natur verkommt angesichts des Schlangestehens, des permanenten Geschreis und Getröte der vielen Reisegruppen mit ihren Megaphonen und der auf den Berg geschleppten Müllbergen zur Abartigkeit.
Es stehen und sitzen oftmals so viele Menschen herum, dass ich einen Abzweig nicht sehe und zwei Ehrenrunden über den höchsten Punkt des Parks (Lotus Peak) drehe, bis ich den Abzweig zur Heavenly Sea finde. Hier heißt es: Anstehen. Oben angekommen ist es nicht gerade himmlisch, sondern höllisch voll. Doch es findet sich auch ein verwaister Abzweig, gen Norden zur Fairytalebrücke. Dorthin verirren sich die Gruppen nicht, denn der Weg ist lang und anstrengend. Es ist bereits halb Zwölf.
Ein Kilometer Treppen auf und Treppen ab, und auf und ab, und auf, braucht irgendwie deutlich mehr Zeit als in der Ebene. Und bedeutet auch einiges mehr an Anstrengung. Die Kalorien meines Frühstückes und meines Sandwichpaketes kann ich gut gebrauchen.
Ich gehe die knapp Drei Kilometer bis zur Brücke (hauptsächlich bergab) und dann noch in etwa einen Kilometer in den sogenannten Grand Canyon – definitv der schönste und spektakulärste Teil der Yellow Mountains, aber auch nicht ganz einfach und wer nicht schwindelfrei ist, ist dort erst recht fehl am Platze. Gerne wäre ich die ganze Runde über die nördliche Seilbahnstation gegangen, aber weitere Drei Kilometer in die falsche Richtung (die ich ja auch wieder zurückmuss) traue ich mir nicht zu. Es ist mittlerweile Ein Uhr. Insbesondere, da ich keine vernünftige Karte mit Entfernungen und Höhenmetern habe und mir entgegenkommende Leute etwas von Drei bis fünf Stunden erzählen, die sie für die Strecke brauchten.
Ich gehe also zurück – bergan, bergan! durch den Menschenauflauf auf dem Hochplateau (gen Westen ist noch immer erkennbar alles verstopft) und will dann wenigstens den Osten des Parks sehen. Um Drei Uhr bin ich bereits an der östlichen Seilbahnstation, genügend Zeit, den Berg hinunter zu gehen, anstatt weitere 80RMB für die Gondel zu bezahlen. Sieben Kilometer Strecke und wieviele Stufen mögen wohl in 1000 Höhenmeter passen? Genug. Insgesamt bin ich etwa 20 Kilometer in den Bergen unterwegs gewesen und ich kann den Park in der Nebensaison, aber dann mit Übernachtung auf den Bergen, nur empfehlen.
Mit Shuttlebus und vollgestopftem Linienbus geht es zurück nach Tunxi, dort heißt es nochmals über einen Kilometer laufen, aber das macht nun auch nichts mehr.
Ich nutze abends noch die Gelegenheit zum Wäschewaschen und lade während der Wartezeit ein paar Bilder ins Blog. Es ist schlicht und ergreifend zu heiß für besondere Aktivitäten – ich kann mich glücklich schätzen gestern durch die Berge gewandert zu sein, denn momentan sind es lockere Dreißig Grad. In einer Marktstraße wähle ich mir an einem Essenstand am Straßenrand mein bisher billigstes Menü in China aus: 6RMB für ein Gericht nach Wahl (Senfstengel mt Tofuschnitzeln), frisch zubereitet im Wok mit Reis und Tee. Und es schmeckt wunderbar. Das (warme) Bierangebot lehne ich dankend ab.
Am Bahnhof bringt mich ein selbsternannter Hobbyzuhälter zum Lachen mit seiner “Massatsch” Nummer – vor allem, da er mit seinem Nullkommafünfzeilengedächtnis beim Verlassen des Gebäudes schon wieder vergessen hatte, dass ich gerade eben erst Nein gesagt habe und es erneut versuchte..