Nagoya, Japan
Gestärkt durch ein Wasabi-Soya-Frischgemüsebaguette geht es im Hiraki Shinkansen nach Nagoya. Vorbei am Fujiyama, auf den ich ein paar Minuten lang freien Blick habe.
Das gebuchte Ryokan ist mit allem Komfort ausgestattet, hier werde ich meine letzten beiden Nächte auf japanischen Boden vermutlich gut verbringen. Die Burg von Nagoya brannte im Zweiten Weltkrieg nieder, man hat sie 1959 wieder aufgebaut, so mit schickem Betonkern und auch den praktischen Aufzug dabei nicht vergessen. Ist ja auch viel bequemer, bei knappen Dreißig Grad hochzufahren und herunterzulaufen…
Später fiel es dann wohl jemandem ein, dass es Rollstuhlfahrer nicht durch den kleineren Donjon in den großen Donjon schaffen und hat einen weiteren Betonaufzug von außen drangeflanscht – zum Glück kann man das häßliche Ding auf Bildern hinter einem Baum verstecken. Dabei hätte es eine Auffahrrampe über die Treppenstufen durchaus getan…
Im Innenhof errichtet man derzeit (bis etwa zum Jahre 2018) den ehemaligen Hammuru Palast (ebenfalls mit im Krieg abgebrannt), aber auf traditionelle Weise, mit Nut und Zapfen, man kann den Handwerkern zum Teil bei der Holzbearbeitung zuschauen. Wie in der Burg von Kumamoto.
Ich musste bei solcher Wiedererweckung der Vergangenheit an das geplante Berliner Stadtschloß denken, was immerhin derzeit aus Kostengründen auf Eis gelegt wurde. Ob die Konstruktion hier komplett durch Spenden finanziert wird, kann ich den Kanjitafeln nicht entnehmen, aber ich bezweifele es, denn auch Japan ist bekannt dafür, dass es über seine Verhältnisse lebt.
Auch Obdachlose gibt es eine Menge zu sehen, sie werden nur ziemlich geschickt abgedrängt zu Plätzen, wo sie nicht so auffallen, den optischen Gesamteindruck stören, schlecht fürs Feng Shui sind. Wovon die leben?? Vom Leergut sammeln jedenfalls nicht, denn das ist hierzulande nichts wert, fleißig wird jede Einwegflasche noch in ein zwei zusätzliche Plastiktüten verpackt und wieviel Strom die unzähligen gekühlten Verkaufsautomaten in der prallen Sonne verbrauchen, darüber denke man mit ökologischem Bewusstsein lieber nicht nach. Die Bildersymbolik erschließt sich mir auch nach Monaten in Asien nicht, aber ich glaube die Japaner sind da noch etwas spezifischer als die Länder drumherum: Ich kann ja noch nachvollziehen, dass Michael Jackson posthum mit einer Horde drolliger Comicaffen beworben wird, denn die sehen nett aus, und die Nasenform passt, aber weshalb auf mancher Straßenbeschilderung ein Auto durchgestrichen wird und ein stattdessen ein Fisch empfohlen wird??? Esst mehr Sushi? Schwimmt? Sei kein Fisch, oder doch? Leider ist das Foto eines Headbangers mit einer Zipfelmütze misslungen, er war zu schnell im Schatten mit seinem alternativen Hoolahoop Ring. Sah komisch aus, ich glaube ich würde nach Dreißig Sekunden kot.en:-)
細かく刻ん ;だ午
後は私の目 ;の前に溶Ӕ 9;る (Komakaku kizan da gogo wa watashi no me
no mae ni tokeru)(Frei nach guter asiatischer Tradition, irgendwo zu sitzen, den Augenblick zu durchdringen und der Nachwelt ein paar Zeichen, fein kalligraphiert zu hinterlassen, wurde ich lyrisch und habe mit nur mäßigem Erfolg meine Vorstellung in die moderne Übersetzungsmaschinerie eintrichtern können.) Der fein zerhackte Nachmittag zerfließt vor meinen Augen. Und nicht nur der Himmel, die Zeit verrinnt – auch das Geld. Da glaubst du einen kurzen Augenblick, du hättest zuviel Geld aus dem Automaten geholt und könntest es nicht mehr alles ausgeben und dann stutzt du beim Bezahlen und stellst fest, dass du stattdessen zuwenig Geld hast und auf der Strecke zu bleiben drohst, denn der Weg zum Flughafen ist weit und nicht umsonst.
Also erneut an den Automaten, ein kleines Häppchen Liquidität noch einmal, reichlich für den Tag und ein einfaches Abendmahl, so denkst du, und dann kommt die Metro und der Regen, der endlose Regen, der es dir nicht erlaubt zu Fuß und ohne den tollen großen Regenschirm quer durch die Stadt vom Schrein zurückzulaufen, also nochmals Metro, und dann noch einer dieser Convenience Stores, die es überall und ausschließlich gibt und dort noch einen Nachmittagssnack und Gerstenbrause und einen Joghurt für den frühen aufbruch morgen geholt, und wieder ist es vorbei mit der Liquidität. Trocken gelegt, ganz im Widerspruch zur Außenwelt. Für ein Coco-Abendcurry wird es noch reichen, und mehr muss auch nicht, aber Bargeld kann man in Japan NIE genug haben. Aber so ein Nachmittag mit geballtem Nichtstun, nur etwas Lesen, Tee, Kaffee, vielleicht noch ein bisschen Gepäckkontrolle für den finalen Flug, mit Blick auf den Garten, wie er schön im Regen glänzt – so ein Nachmittag der hat auch etwas für sich. Tiefsinnige Reflektion darüber, was diese Reise nun für mein Leben bedeutet, wie sich mein Horizont erweitert hat, ob es eine Zeit des Müßiggangs war, ob es sich gelohnt hat – das alles kommt mir nicht in den Sinn. Vielleicht später, vielleicht nie.
Zu bereuen gibt es jedenfalls nichts. Reisen zu können, ohne zu müssen, einfach so vorbeischauen, verweilen oder auch weiterziehen zu können, Tag um Tag, Woche um Woche und sich dabei nie fragen zu müssen, wie man nur die nächste Zeit überstehen kann, ist Freiheit, ist Luxus. Unglaublicher Luxus. Wie gut, wenn man nicht Luxussüchtig ist, und sich hoffentlich nicht zu sehr daran gewöhnt hat.