Koyasan

Um 05:30 geht der Wecker. Aber nicht meiner, sondern gleich zwei meiner Zimmernachbarn… Ich wollte erst in einer Viertelstunde aufstehen, aber geschenkt, denn beide Wecker bimmeln über zehn Minuten lang…

Um Sechs Uhr beginnt die Morgenzeremonie. Diese ist sehr schön, mit Feuerzeremonie, dauert aber mehr als neunzig Minuten. Frühstück gibt es erst anschließend, also nach Acht Uhr. Die Portion vegetarisches Essen lässt mich beinahe hungrig zurück. Dafür schließt sich im Anschluss ans Frühstück eine sehr interessante Unterhaltung mit einer Australierin an, die in zwei Tagen nach Deutschland nach Hamburg auswandert. Sehr inspirierend und zugleich hochpolitisch. Ich hoffe es ergibt sich Gelegenheit zur Fortsetzung.

Ich stellte jedenfalls fest, dass ich morgen erst gegen neun Uhr los wandern könnte, und das ist mir zu spät, da ich nicht einschätzen kann, wie die 6-8h Wegzeit bemessen sind. 700m rauf und 850 runter bei insgesamt 17km… Doch wie rutschig ist der Weg durch den Dauerregen? Es geht immerhin über 1100m Höhe und zu spät noch unterwegs sein zu müssen ist aus mehrfacher Hinsicht problematisch. Daher beschließe ich für morgen, Zeremonie und ohnehin nicht für eine Wanderung ausreichendes Frühstück ausfallen zu lassen, um bereits um 7 Ihr auschecken zu können.

Am heutigen Tag hat es mehr oder weniger starken Dauerregen gegeben. Das volle Besichtigungsprogramm per Discount Ticket war angesagt. Tokugawa Mausoleen, Museum, Haupttempel… Und eine Jukai Zeremonie. Die verlief zwar etwas anders aus vorher angekündigt, da zuviele Leute daran teilnahmen (zum Glück), aber im Endeffekt wurden mir jetzt die zehn buddhistischen Gebote überreicht. Im Info-Zettel lesen sich diese etwas anders, als in meinem Route Guide, das muss ich später vergleichen. Ich empfinde es allerdings als grenzwertig, wenn solch eine, an sich wichtige, Zeremonie in ein Besichtigungspaket gepackt wird.

Als ich nur Minuten später nach Verlassen des Tempels auf einem Fußgängerüberweg um Haaresbreite auf der Kühlerhaube einer ignoranten Autofahrerin sitze, ist es mit der schönen Selbstkontrolle und den Geboten bereits wieder vorbei, immerhin ist meine (kurze) Beschimpfung ziemlich harmlos, da mich mein zweiter Pilgerhut offensichtlich erfolgreich behütet hat.

Zum Glück habe ich es nachmittags noch geschafft, mir für morgen früh Sushi zu kaufen, es gibt hier in Koyasan fast überall nur Süßigkeiten zu kaufen, und der Rest ist offensichtlich heiß begehrt bei Leuten, die kein Tempeldinner gebucht haben. Verglichen mit Shikoku ist das Preis Leistungsverhältnis hier auch deutlich schlechter, es gibt deutlich weniger für deutlich mehr…

Am Nachmittag habe ich noch den Okunoin besucht und es auch geschafft, einen „Abschluss“ Stempel für mein Nokyocho zu bekommen. Und festgestellt, wie viele Leute das Fotografieverbot dort an Mausoleum scheinheilig ignorieren…

Morgen startet Phase Zwei, das Pilgern auf dem Kumano Kodo…

Ich erfahre auch, wo ich noch einen passenden Stempel für mein Nokyocho erhalten kann. Zur Laternenhalle bei Tageslicht will ich so oder so.

Tokushima – Koyasan

Morgens geht es früh los, um 07:20 soll der Bus der Linie 4 zur Fahrstation fahren, also mache ich um 06:45 zu Fuß auf den Weg. Klappt soweit alles, um 08:00 legt die Fähre nach Wakayama ab, ich esse das Supermarkt Sushi zum Frühstück, zusammen mit Kaffee aus der Thermoskanne. Das Wetter ist schlecht, so wird die Überfahrt zeitweise zu einer ziemlich schwankenden Angelegenheit. Aber es beruhigt sich wieder. Es schließt sich eine Zugfahrt mit drei Mal Umsteigen an, mir wird erst später ist, dass der Zug zuerst nach Osaka (Namba) führt und von dort aus nach Koyasan. Ab Tengachaya wird der ausländische Touristen Anteil zusehends höher. Der letzte Zug quält sich immerhin bis auf 530m hoch, bis dann die letzte Strecke am Kabel hochführt. Nicht daran denken, wie es wäre, wenn das Stahlseil reißen sollte, es sind keine Widerhaken wie bei einer Zahnradbahn erkennbar…

Nichts passiert, alles gut, auf über 800m Höhe prima angekommen. Es gibt Busse. Ich dachte die Station wäre nahe an Ort, checke kurz die Navi-App, sie meint über 3h zu Fuß, Huch! Dann doch schnell in den Bus, bevor er weg ist. Die Fahrt dauert nicht so lang, also checke ich später Mal per Google Maps, da wären es nur vierzig Minuten zu Fuß entlang der Straße gewesen…

Ich komme nach über sechs Stunden Anreise am Muryokoin Tempel/Kloster an, wo ich die nächsten zwei Tage übernachten werde. Ich kann etwas früher Einchecken, Abendessen gibt es bereits um fünf Uhr, damit man noch noch Zeit hat im Laternenlicht Uhr den Okunoin zu besuchen. Das mache ich dann auch später, aber vorher auch noch Mal eine schnelle Tour durch den Ort. Das Wetter besteht aus feinem, aber konstantem Nieselregen. Jetzt zum Nachmittag scheinen sehr viele Tagesausflügler abzureisen, nachdem die Autokolonnen und Busse endlich fort sind, leert es sich zusehends und der Ort bekommt etwas geradezu magisches. Hier steht Tempel oder Kloster direkt neben dem nächsten. Zum Teil sind diese recht groß geraten, aber ich bin hier ja auch auf dem heiligen Berg, dem Zentrum des Shingon Buddhismus Japans. In meinen Tempel gibt es etliche Mönche und Novizen – ganz anders als auf Shikoku. Und im Dunkeln bei Laternenlicht und Nieselregen über den Okunoin zum Mausoleum von Kobo Daishi zu gehen hat zum Teil etwas geradezu unwirkliches. Die Halle der Laternen ist geschlossen, aber einige beleuchten auch einen Rundgang unter den Vordach und i mich freut, ein paar Räucherstäbchen entzünden zu können. Vom letzten Teil des Weges gibt es aber keine Bilder, denn ich respektiere den Wunsch dort keine Aufnahmen zu machen. Definitiv ein Highlight!

Danach noch ein heißes Bad, denn das schließt hier um Neun und bleibt morgens geschlossen und ich bin danach so müde, dass ich nicht mehr bloggen konnte…