Kaiserliche Zeiten

Huế, Vietnam

Den ersten Tag bin ich in ziemlicher Hitze durch die Zitadelle und den ehemaligen Kaiserpalast gelatscht. Für den Nachmittag hatte ich mir vorgenommen einen halben Tag im Hotel ein Moped zu mieten, aber die nette junge Dame vom Empfang war nicht mehr da, sondern ein professioneller Rezeptionsnepper hatte ihren Platz eingenommen. Ziemlich dreist wollte er von mir den zweieinhalbfachen Preis der Hotelpreisliste abkassieren und nachdem ich ihm den Preis schwarz auf Weiß zeigen konnte, täuschte er einen Anruf beim Verleiher vor, natürlich plötzlich keine Mopeds mehr da, Hahaha. Aber es war eh zu heiß, so verbrachte ich länger als beabsichtigt, aber nicht unangenehm mit Lesen. Den nächsten Morgen heuerte ich mir einen der vielen Xe Oms (Mopedtaxis) an und machte auf der Rückbank eine Kaisergräbertour. Die Tu Doc Grabanlage war sehr sehenswert, die beiden anderen, der laut Reiseführer must see Gräber kann man sich meiner Meinung nach sparen – das eine ist grauer Beton aus der Jugendstilzeit – weder hübsch noch bemerkenswert. Gegen Mittag weigerte sich die Natternbrut an der Hotelrezeption doch glatt mir ein Taxi MEINER Wahl zu rufen, sondern wollten mir nur ihren unvorteilhaften Hoteltransport zum doppelten Preis aufzwingen, aber da habe ich nicht mitgemacht.

We had Joy, we had fun, we had seasons in the sun

Hoi An, Vietnam

Taktak, Taktak, takatakatak – der Zug schaukelt durch die Nacht. Jegliche Unterhaltung mit und zwischen Einheimischen, ist ebenso wie die Beleuchtung erloschen. Doch ist es weder dunkel im Abteil, noch still. Vereinzelt huschen Lichstrahlen von Straßenlaternen schüchtern über die Wände, dann und wann beiseite geschoben durch fordend auftauchende Lichtkegel parallel reisender Fahrzeuge.
Das Fahrgestell des Zuges erzeugt eine Vielzahl von Geräuschen, gerade so, als wären einige Personen auf dem Bahnsteig nicht unter dem Zug hindurch-, sondern hineingekrochen, würden nun mit Vorschlaghämmern und Brechstangen das metall traktieren. Als gelte es die akustische Prüfung der Räder nachzuholen, die am Bahnhof ledigich angetäuscht wurde.
Das Abteil durchläuft alle Klimazonen: von tropisch schwül bis arktisch kalt – worauf auch immer man sich mit einer zur Verfügung gestellten Decke eingerichtet hat, wenig später ist es unpassend. Nur vereinzelt gelingt es für jeweils ein paar Minuten hinter den geschlossenen Augen etwas Schlaf zu finden. Müdigkeit will sich allerdings auch nicht recht einstellen.
Um Fünf Uhr morgens erreicht der Zug Da Nang – die Dunkelheit der Nacht hat den Tag noch fest in ihrer Hand. Vor dem Bahnhof im Schein einer Straßenlaterne hält ein junger Mann ein Schild mit meinem Namen und dem eines Hotels, an das ich mich nicht ansatzweise erinnern kann. Wird wohl stimmen.
„Yes“, ein Nicken und ich folge ihm stumm zu einer neuen Toyota-Limousine.
„Nice car“
„Yes.“
Im weiteren bestimmt Keinsilbigkeit unsere Fahrt durch die Nacht. Die Straßen sind mehrspurig und in hervorragendem Zustand, die relative Lautlosigkeit im Wageninneren wird nur von der vereinzelten Betätigung der Hupe durch den Fahrer gestört. Er gähnt.
An Hotelresorts und einem Spielcasino gleiten wir vorüber. Eine verwaiste Strandpromenade? Ich vermute in der völligen Dunkelheit hinter einer Palmenreihe das Meer. Wir passieren einige Jogger und unbeleuchtete und mit Waren überladene Mopeds.
Das Hotel liegt bei unserer Ankunft im Dunkeln. Unspektakulär. Der Fahrer öffnet die Eingangstür einen Spalt und weckt einen Mann, der dahinter im Foyer unter einem Moskitonetz schläft. Dann verschwinden die Rücklichter des Toyotas mit ihm surrend in der Dunkelheit.
Alle Zimmer sind noch belegt, Check-In um Elf Uhr. Ich stelle meine Tasche ab und setze mich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in ein Cafe, das gerade geöffnet hat. 5:50 Frühstückszeit, aus der Stille des trüben Schein ei***** Glühbirnen reißt sich einen Mann von seinem Kaffeeglas los, bringt mir eine Karte und ich bestelle Kaffee und Frühstück.
Das Leuchten meines Bildschirmes begleitet mich durch die Dämmerung in einen grauen Tag hinein; versorgt mich mit Neuigkeiten aus aller Welt über das WLAN von gegenüber und lässt mich dem weiteren Verlauf der Kurzgeschichte folgen. Der Kaffee – für mich ebenfalls in einem Glas, einem Senfglas oder kleinem Bierkrug serviert – schmeckt stark und leicht süßlich. Das Omelette ist frisch und geschmackvoll zubereitet und das Brot ist knusprig warm. So muß ein Frühstück schmecken. Mit Schauern denke ich an die Morgenspeise der letzten drei Tage in einem Hotel zurück. Disgusting, so wollte ich darüber in meiner Hotelrezension schreiben, werde aber am Abend feststellen, dass jemand im Namen von „Rolf aus Germany“ angeblich fünf Mal die Note exzellent vergeben hat. Doch die Aufregung darüber liegt noch in ferner Zukunft und sie wird sich nahtlos in die Reihe der insdiskutablen Serviceleistungen des „sonnigen“ Hotels einfügen. Nach dem Frühstück kann ich im Hotel zwar noch nicht mein Zimmer beziehen, aber es gibt ein Bad und mir wird ein Handtuch gestellt, damit ich duschen und meine Kladung wechseln kann. Den Muff des Zugabteiles, der in den Klamotten steckt kann ich in einen blauen Beutel des Wäschedienstes stecken, den verlorenen Schlaf gewinne ich weder dadurch, noch durch die erfrischende Dusche zurück. Auch eine Cafe Latte mit einem Schokoladenpfannkuchen einige Zeit später kann nicht verhindern, wie meine Lebensgeister gegen Mittag immer deutlicher zu Boden sinken und nurmehr schlaff von den Gurten meines Rucksackes herabbaumeln. Ein letztes Aufbäumen bei einer Pineapplelassi sollte mir die Kraft für den Weg ins Hotel, zu einem geruhsamen Mittagsschläfchen liefern. Und dann tritt Joy in mein Leben.
Wie ein Falke sich aus der Höhe auf sein Opfer stürzt, gesellt sie sich an meine Seite und verstrickt mich in ein Gespräch, fragt nach meiner Herkunft, ah sie habe eine Schwester in Aalen, es wäre gut, dass sie mich treffen würde, sie wolle nach Germany und ich könne ihr erklären, helfen, was? Meine immer bleierner werdende Müdigkeit sorgt dafür, dass mir ihr genaues Anliegen verborgen bleibt und meine Neugierde ist bereits zu Bett gegangen. Joy schreibt mir ihre Telefonnummer auf einen Zettel, wir könnten uns ja vielleicht am Nachmittag um Fünf treffen, biete ich ihr an. Mein Hotelzimmer riecht. Muffig. Ranzig. Die Quelle des Geruchs lässt sich nicht orten, er scheint in den sauber geestrichenen Wänden zu stecken. Die Laken sind jedenfalls frisch und die Matratze ist die Tempelausgabe einer Auflage mit Holzkern. Besser nicht an allen Ecken und Enden zu riechen. Ein Wandventilator hilft mir die stehende Luft etwas auzufrischen und ich finde beinahe zwei Stunden Schlaf.
Ich konsultiere Reiseführer und Internet, was es hier in der Umgebung zu entdecken gibt und finde, dass erst letztes Jahr ein neues Worldvison-Entwicklungsprojekt, knapp Dreißig Kilometer von hier gestartet wurde. Das durchschnittliche Jahreseinkommen in der Region dort soll bei 400 US Dollar liegen…
Es mag sein, dass sich der Kern des Ortes in ein einziges Open-Air Museum verwandelt. Es ist aber auch hübsch, und athmosphärisch, wenn die aus den alten Häusern und kleinen Restaurants das Licht der Lampions strahlt und der Duft von gutem Essen in die Nase steigt. Sehr viele Schneidereien und Souvenirshops gibt es und oft ist ein „Look my shop!“ zu hören. Umso mehr, je weiter entfernt vom historischen Kern des Ortes man sich befindet, schwierige Randlage sozusagen. Immer wieder faszinierend finde ich die schlecht kopierten Bücher, die überteuert unters Volk gebracht werden sollen. Mein Favorit sind die Harry Potter Bücher – irgendwie hat man es beim Kopiervorgang geschafft, die Werke von knapp Siebenhundert auf Siebzig Seiten einzudampfen. Handelt es sich nun um eine redaktionell überarbeitete Zusammenfassung, oder hat man einfach eine gezippte Textdatei des Buches im Klartext ausgedruckt, jeden zehnten Buchstaben verwendet, oder oder oder?
Leider sind zugeklebte Plastikhüllen um die von Spucke zusammengehaltenen Loseblattsammlungen, so dass mir der Einblick verwehrt ist. In manchen Touragenturen sieht man sich die Touristen stapeln, alle mit ihrem Reisedominator in der Hand. Auf irgendeiner der farblosen Seiten darin, wurde die betreffende Agentur empfohlen und als wäre das Buch des einsamen Planeten eine Bibel, wird die Passge zum Psalm erklärt und blind befolgt. Mit gesundem Menschenverstand hat das nichts mehr zu tun.
Mit einem für vier Dollar geliehenen Roller und zwei Dollar für Sprit lässt es sich prima auf eigene Faust nach My Son oder zu den Marmorbergen fahren, ohne in einem Buspferch nach festem Programm wie Schlachtvieh durch die Gegend geschoben zu werden.
Die Gegend außerhalb ist nicht nur landschaftlich interessant.
Auf einem der Marmorberge redete mich ein sehr dicker junger Amerikaner bezoge auf meine ziemlich überteuerte Leichtcola an: „Did you really pay 20.000 for the coke?“
Ja, hatte ich und der Kerl schaffte es mir die gute Stimmung (ein ganz wenig) einzutrüben, weil ich vorhandenen Handlungsspielraum nicht erkannt und ausgenutzt hatte, und die buckelige Verkäuferin nicht ebenso wie der Amerikaner auf einen niedrigeren Preis heruntergefeilscht hatte.
Seine fester Glauben jedoch, irgendwer hätte in Gottgleicher Art definiert, dass er als reicher Tourist genauso behandelt werden müsse, wie ein armer Einheimischer hellte meine Stimmung jedoch wieder deutlich auf.
„They are not supposed to charge more from foreigners, than from locals!“
„Who says that?“
„It’s communisn here!“
„Here is no communism, it’s capitalism. There is no such thing as communism in tourism!“
Eine Kuh ist zum Melken da. Und es ist immer noch eine Schicht darunter. Und es gibt immmer noch einen Weg zu gehen, doch es ist immer noch zu spät.
Mein Fazit zur Wahrscheinlichkeit, etwas „Wichtiges“ im Lande zu verpassen. Dies nur weil sich der Roman so herrlich fesselnd beim Kaffee las, weil die Gaumenfreuden des fünfgangigen Setmenues ihre Zeit brauchten, weil mir der Sinn danach stand, mich über politische und wirtschaftliche Dinge daheim auf dem Laufenden zu halten, weil ???
Joy ist auch so ein Kollateralschaden. Merkwürdigerweise kam mir der Titel dieses Beitrages bei ihr in den Sinn und meine sonstige Erinnerung bestand aus zu viel Schminke über einem rasierten Damenbart.
Ihrem Auftritt in meinem Leben ergeht es wie Terry Jacks mit seinem Hit Seasons in the sun: ein One time hit wonder. Insgesamt wie beim Original von Jacques Brel, Le Moribond eine traurige Geschichte, ihre Nummer steckt ungerufen in meinem Rucksack…

Gestrandet auf die noble Art

Nha Trang, Vietnam

Der Taxifahrer der mich morgens von Bui Vien zum Bahnhof fuhr, rundete großzügig zu seinen Gunsten von 45.500 auf 50.000 Dong auf. Dreist, aber ich hatte keine Lust auf eine Diskussion.
Beim Betreten des Bahnsteiges wird meine Karte ordnungsgemäß gelocht. Der Zug ist recht lang, mein Abteil liegt gamz am Ende des Bahnsteiges. Die Superexpress-Züge sollen neuer sein, als die TN Versionen – vor allem beim Betreten des Abteils stelle ich fest, dass ich ohne Not sicher nicht mit einem noch älteren Wagen unterwegs sein möchte.
Der Nachteil eines in die Jahre gekommenen Softseats ist es, füllungstechnisch kollabiert, dafür geruchstechnisch ausgereift zu sein. Ich suche meinen Sitz, 61, 62, 3, 4, 5, 6… Sitz Nummer Zwei (meiner) ist nicht dort, wo ich ihn erwartet hätte. Vielleicht hatte man kein Schild mit der Nummer Zwei und hat deswegen erhöht? Aber wie im Zug in Thailand erlebt, ist es ärgerlich, dass gerade dann, wenn man es sich bequem gemacht hat, womöglich nach Stunden, der Karteninhaber dr 62 auftaucht und seinen Sitzplatz verlangt. Also am anderen Ende des Abteiles schauen, tatsächlich: 64, 63, 2, 1. (Ich muss während einer der nächsten Fahrten überprüfen, ob hinter der Nummerierung ein System hintersteckt) Auf Sitz Zwo macht sich gerade eine junge Frau breit, ein Schaffner will ihr adjutieren, ist verwirrt, aber dann ist der Platz meiner, leider entgegen der Fahrtrichtung. Immerhin ist an diesem Wageende noch Platz für mein Gepäck und die Fenster sind so schmierig, das Herausschauen während der Fahrt recht anstrengend ist.
Die schlabberigen Sitze liegen beinahe aufeinander wie umgefallene Dominosteine. In Kombination mit einer feststehenden Getränkeablage an der Rückenlehne eine wahre Amputationsmaschine. Der Sitz bleibt jedoch während der Fahrt frei und es kommt zu keinen Verstümmelungen. BESTIMMT wurde Sitz Nummer Eins im Computersystem als defekt und unbenutzbar markiert und von der weiteren Buchung ausgeschlossen, ha! Die Klimaanlage wird wie zu befürchten war, an der Grenze zur Körperverletzung betrieben, gleiches gilt für das kakophonische Bordentertainment „RailTV“ in Kombination mit vietnamnesischer Schnulzenmusik. Lange Hose, Socken, Jacke und Ohrenstöpsel sind unentbehrlich, eine Jeans, oder sogar Skihose zum Erreichen der Komforttemperatur nötig.
Erst zum Sonnenuntergang, als der Zug die Küste erreicht, ist der Ausblick interessant, einen Moment wünsche ich mir, dass die Kulisse und die Lichtverhältnisse für den Rest der Fahrt anhalten würden, aber dazu ist der Zug nicht schnell genug. (Und fährt auch noch in die falsche Richtung) Ich quetsche mich sieben Stunden später aus dem Zug (pünktlich!), denn in Nha Trang hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass ein Zug leichter zu betreten ist, wenn man zuvor Passagiere aussteigen lässt. Vor dem Bahnhof bieten mir Motorradtaxis ihre Dienste an, aber mit Rucksack und schwerer Riesenreisetasche?? Ein andermal vielleicht. Ein Airporttaxi wendet und hält auf meine Gesten hin an. Der Fahrer versteht kein Wort von dem was ich sage. Nein, nicht Airport, ich bin ja gerade erst mit dem Zug angekommen, Sunny Hotel, you know it? Stirnrunzeln „Trann Fu“ sage ich, sein Blick hellt sich auf, „Yes Yes“ Ich bin skeptisch, aber meine Reisetasche wandert in den Kofferraum, ich steige ein. In Zeitlupentempo fährt das Taxi los.
Der Fahrer beginnt zu telefonieren während wir sogar von Radfahrern überholt werden. Ich höre seine vietnamesische Fragen nach Sunny Hotel. Ein zweites Telefonat und Sprechfunk – hat ihm jetzt jemand die Lage des Hotels nennen können?
Ich zücke mein GPS und überprüfe die Richtung. Die Lage des Hotels laut Google hatte ich markiert, wir bewegen uns dorthin. Das Gebäude, das Google als Hotel geXt hat, ist aber kein Sunny Hotel. Uhoh, jetzt wirds interessant – wie war doch gleich die Hausnummer 95/2? In einer Seitenstraße, könnte noch passen. Wir fahren weiter, und biegen wenig später rechts in eine Seitenstaße ein. Tatsächlich: eine Sunny Hotel Leuchtreklame.
Das Taxameter zeigt 39800 Dong Fahrpreis an, ich gebe 100.000 und bekomme 20.000 zurück. Nanu? Ich zeige aufs Geld und der Fahrer zückt noch ein paar Scheine, Ein- und Zweitausender, macht zusammen 25.000, nicht annähernd, was ich zu bekommen habe. Erneutes Kopfschütteln, er nimmt die kleinen Scheine zurück, gibt mir weitere 20.000. „No,no no!“ Ich zeige auf fett rot leuchtende Fastvierzig. Etliches Scheinwuseln später habe ich Fünfzig Tausend. Erst nach dem energischen Hinweis, dass der Betrag immer noch nicht stimmt, überreicht er mir die noch fehlenden 10.000. Wer so dreist schummeln will bekommt garantiert kein Trinkgeld.
Im Hotel schaut man mich aus großen Augen an: Eine Reservierung? Wo denn mein Reservierungsbeleg wäre. Na, in meiner Email. Man könne sie nicht finden. Erst nachdem ich meinen Rechner hochgefahren habe und die Bestätigungsmail des Hotels vorzeigen kann, bricht eine Diskussion aus. „Give us 30 Minutes, you are lucky, we have room for you, someone checked out.“ Wenn jemand in Asien sagt, you are lucky, dann heisst es Holzauge sei wachsam. Es dauert eine Dreiviertelstunde bis das Zimmer hergerichtet ist. An sich ist der Raum noch OK, auch wenn es ein Fenster nur ins Treppenhaus gibt, aber ein schlechtes Preis Leistungsverhältnis. Jaja den nächsten Morgen wechsele ich in eine höhere Kategorie – ob die der gebuchten entspricht, weiß man hier nie. Und laut der Dame der Rezeption wäre meine Reservierung für mich ja very cheap gewesen, da Einheimische für die Nacht mehr als das Doppelte gezahlt hätten.
Angesichts der SUVs, Lexus und anderen Luxuslimousinen, die vor der Tür stehen, bin ich fast versucht dies zu glauben. Neureiche Vietnamnesen scheinen es zu lieben hier in Nha Trang mit ihrem Wohlstand zu protzen. Dementsprechend ist das Angebot und gestalten sich die Preise.
Einige Luxushotels sind bereits mit riesigen Gebäuden aufmarschiert und Baustellenschilder kündigen weitere Ketten, wie Crown-Plaza und Marriot an. Sobald die letzten Garküchen und Straßenrandmülltrenner verschwunden sind, ließe sich der Ort problemlos ans Mittelmeer nach Spanien, Frankreich oder Italien, etc… verlegen – ein Ort austauschbarer Eß- und Spaßkultur mit Strand. Dank Tet momentan im Ausnamhezustand. Die Motorradtaxifahrer sind hier besonders nervig, weil sie ein Nein ignorieren. Ein angehängtes Thanks spare ich mir mittlerweile und schau überhaupt nicht mehr zur Quelle nicht enden wollender Litanei hin. Ich glaube die Vögel stammen aus Kambodscha, dort war es genauso. Nur das dort deutlich mehr Drogen angeboten wurden. Hier gibt es den ein oder anderen dezenten Hinweis auf Massage, mehr aber nicht.
Manchmal aber auch undezent: da hüpft vor mir eine bildhübsche Dame mit Helm vom Rücksitz eines Mopeds und spult ihren Text ab: „Hello Massage Boom Boom, One Hour, Ok?“
Die Krux eines männlichen Alleinreisenden. Why bother? Die Sonne scheint, die Welt mag hart und ungerecht sein, aber sie hat auch ihre angenehmen Seiten. Ich bin fern von daheim und doch ganz nah: Per Internetradio spielt mir der germanische Lieblingssender sein Nachmittagsprogramm in den Abend. Den verbringe ich im Hotelzimmer bei vietnamischem Rotwein, Gemüsecrackern und Lektüre eines Haruki Murakami Romanes. Zwischendurch das ein oder andere Telefonat…
Das alles ist möglich dank Laptop, Wifi und Plastikgeld. Hat irgendwie etwas Irreales.
Natürlich könnte ich mich in das Entertainmentgetümmel rund um die Uferpromenade stürzen, aber authentischer würde es dadurch auch nicht, lediglich weniger technisch.
Authentischer wurde es den Tag über, bei einem Fußm arsch gen Norden, an den Stadtrand und dann zurück zu den Chamtürmen. Major Tourist Attraction, der Anzahl der eintrudelnenden Busse zufolge. Immer wieder erstaunlich, warum fast niemand zu Fuß gehen mag. Da verpasst man einiges: Genau gegenüber, bei Hausnummer 110 der Straße 2/4 gibt es eine ganz hervorragende Pho Bo (Rindernudelsuppe) zum supergünstigen Preis.
Die Erinnerung daran, lässt mir auch Stunden später noch das Wasser im Munde zusammenlaufen – ein bisserl vom schwarzen Pfeffer hinzugegeben und mit den Essstäbchen nach den Nudeln und dem zarten Rindfleisch geangelt… Ja vielleicht ist es Zeit für ein kleines gastronisches Resumee der Stadt:
Vergesst das großspurig im Reiseführer erwähnte Louisane mit Mikrobrauerei – die sind dermaßen beschäftigt damit die Nobelherbergentouristen auszunehmen, dass Service und Atmosphäre nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Selbst beim dreifachen Preis. Zitat:“We are busy, we dont serve food right now“
Auf der Thran Phu 96 gibt es dagegen ein „Restaurant“ mit unspektulärem Aussehen – ein Wellblechdach und ein paar simple Klapptische drunter – dort gibt es unter anderem wunderbar gebratene Nudeln mit einer Menge zarter Hühnerbrust zum super Preis. Den Namen des Lokales konnte ich mir leider nicht merken, es könnte Bo Vien oder so ähnlich sein.
Auf der Rue Yersin, vom Strand aus vielleicht 300m vor dem Park, der bis an den Bahnhof reicht, gibt es in ähnlichem Ambiente einer Garage hervorragend geschmortes Gemüse, bestehend aus Blumenkohl und Wasserkresse oder Stengelspinat. Günstig und lecker jedenfalls.
Im Reiseführer erwähnt ist auch ein „Treffpunkt“ mit germanischer Küche. Die Schilder mit Roggenbrot und Co mag noch einladend sein, der Klischeeschmierbauch, der Spelunkenmäßig desillusionierend mit seiner Flasch‘ Bier daraus hervorstiert signalisiert mir jedoch eindeutig: so viel Heimweh kann ich gar nicht bekommen. Ich ging weiter..
Am Chamturm wird übrigens für das koreanische Cappuchinoeis (sehr lecker) knapp das Doppelte wie in Saigon verlangt, die Betreiberin klagt über die gierige Handelskette, allerdings ist auch die Cola Hundert Prozent teurer – warum das Gejammere? In einer Goldmine muss Gold abgebaut werden und nicht Gips. Aufbruch „You can walk six kilometers?“ fragt mich die Dame von der Rezeption als Reaktion auf mein Tagesvorhaben. Yes I can. Ich brauche kein Taxi und will auch nicht bereits im Hotel ein Ticket kaufen. Ich laufe.
Die Gondeln der Seilbahn hinüber zur Insel Vinpearlland sind zu 95% unbesetzt. Vielleicht könnte das auch daran liegen, dass es nicht mehr, wie im Reiseführer angegeben, möglich ist, ein Ticket nur für die Gondelbahn zu kaufen. Nein, für den dreifachen Preis soll man ein Ticket inklusive Eintritt in den Vergnügungspark kaufen. Über Zwölf Euro für einmal Gondeln, dass ist nicht nur mir, sondern auch einigen Besuchern aus England zu viel. Zurück nach Nha Trang geht es mit dem Linienbus, für knapp 12Cent.
In der Stadt gilt es Mango-Lassi, Cafe-Latte, Früchteteller und am Spätnachmittag gebratenen Thunfisch mit Gemüse zu verzehren. Ein paar schwarze „Lappen“ darin hätte ich im ersten Moment als Schwammpilze eingeordnet, Geschmack und Konsistenz passen aber nicht. Vielleicht handelt es sich um eine besondere Sorte Süßwassertang, denn salzig schmeckt es auch nicht. Genaugenommen schmeckt es nach nichts. Dafür jedoch der Rest.
Zum Abend hin kann ich im Hotel nochmal duschen, dann geht es mit dem Taxi zum Bahnhof. Dort holt mich die Realität eines Schwellenlandes ein: chaotische Verhältnisse. Da rollt ein Zug hupend zwischen die Menschen auf dem Bahnsteig ein, entleert dabei seine Toilette. Die Reste von Reisproviant werden durch die Zugfenster zwischen die Bahngleise entsorgt. Da nun zwei Züge nebeneinander im Bahnhof stehen, krabbeln Reisende unter dem Zug hindurch, um in die hinteren Wagen zu gelangen. Ein Kleinkind schafft unbeaufsichtig zwei der drei steilen Trittbretter aus dem Zug, dann knallt es auf den Bahnsteig in den Müll und die Fäkalien. Das hat wehgetan, doch es gibt keinen Mucks von sich. Zwei Bahnbeamte laufen herbei, schnappen sich das Kind und während sie laut zetern, stopfen sie das Kind zurück in den Waggon..
Wenig später rattert der Zug davon und mein SuperExpress Nummer Sechs schiebt sich in den Bahnhof. Die Schlafkabine teile ich mir mit drei Vietnamesen, mit Verspätung geht es nach Norden.

Die Tet party is going on mit Schattenseiten

Ho Chi Minh City, Vietnam

Ein zu dreivierteln leerer Jumbojet bringt mich nach Ho Chi Min City, auch bekannt als Saigon, zarte 35Grad Celsius umschmeicheln beim Verlassen des Flughafengebäudes. Das polnische Päarchen flog ebenfalls hierhin, so konnten wir uns beide Taxifahrten teilen. Die beiden reisen mit leichtem Gepäck, etwas unfreiwillig, da einer ihrer Rucksäcke in Bangkok durch einen anderen Reisenden abhanden gekommen ist. Ansonsten erscheint mir ihr Reiseprogramm als Stress pur: Drei Länder in drei Wochen, nur eine Nacht hier in der Stadt und dann geht es auch schon wieder weiter nach Kambodscha…ich habe vier Nächte eingeplant, von mir dabei unberücksichtigt war jedoch das Tetfest. Die anhaltenden Feierlichkeiten sind dafür verantwortlich, dass viele Geschäfte und Einrichtungen für mehrere Tage geschlossen sind. Dennoch „brummt“ die Stadt vor Verkehr und Leben. Am späten Nachmittag mache ich auf eine kurze Erkundungstour, immer wieder mit Abbas „Happy new year“ im Ohr.
Mein Hotel liegt genau auf einer der Haupttouristenstraßen voller Gasthäuser, Bars, Restaurants und Touranbietern, die Wahl eines Businesshostels offenbart sich als gute, ruhige und komfortable Entscheidung.
Globalisierung verrührt alle Kontinente über die Häuserzeilen, manche Restaurants haben 500 Gerichte aus allen Herren Länder auf der Speisekarte – kulinarische Mitbringsel von heimgekehrten Vietnamesen oder Anbiederung an die Touristen? Ich werde niemals die Zeit und Freesslust haben, dies gründlich auszutesten.
Bei einem Pineapplejoghurtshake beobachte ich das Treiben auf den Strassen und habe mich schon beinahe für ein Pizza morgen entschieden.
Denn heute hatte ich wieder eine authentische Pho Bo (Rindernudelsuppe) in der „All“-Variante, was bedeutete, dass so einiges vom Rindviech mit in die Schüssel gewandert ist, von dem ich nicht wirklich wissen will, was genau. Drei Brocken reinsten Glibbers habe ich dankend abräumen lassen.
Auch eine Pizza ist authentisch, denn ich bin mir absolut sicher, dass die Menschen in der breiten Masse nicht aus Überzeugung einfache Mahlzeiten zu sich nehmen, sondern weil gutes und ausgefallenes Essen mehr Geld kostet! Genauso wie bei uns mit wachsendem Wohlstand der Türke, Grieche, Italiener oder Chinese häufiger frequentiert wurde, statt immer nur Kartoffel- oder Kohlsuppe zu löffeln, erweitern die wohlhabenderen Menschen hier ebenfalls ihre Speisekarte. Dem verächtlichen Auspruch eines „Globetrotters“ wie man bloß in Asien Spaghetti essen könne kann ich nichts abgewinnen. Wer hat denn die Nudeln erfunden? Na? Mich reizt Saigon-Homemade-Pasta oder Pizza. Ansonsten werde ich hier noch ganz „struwelig“ und brummele vor mich hin: „Nein, meine Suppe ess ich nicht!“ Besuche in Kriegsmuseen sind immer eine zwiespältige Sache – einerseits ist gezeigte Technik bombastisch, andererseits möchte man nicht in allen Details die Resultate des Einsatzes von perfektionierten Tötungsutensilien sehen. Die schlechte Qualität vieler Fotographien, erspart Menschenunwürdige Behandlungen in allen Details erkennen zu können; durch Agent Orange missgestaltete Föten werden in einem durch Kondensation fast sichtblinden Behältnis ausgestellt.
Im Zeitalter der Plastinierung ganzer Körperwelten medizinischer Besonderheiten und Zerstümmelungszenen im Kino in HD-Qualität kann diese Dokumentation bitterer Realität nur mehr Scheitern. Es stimmt nachdenklich manche Zitate zum Vietnamkrieg zu lesen und darin auch heute noch aktuelle Begründungen vorzufinden – nur dass es mittlerweile um die gerechte Sache am Hindukusch geht. Wird es in Afghanistan in Zukunft ebenfalls ein Museum geben, werden darin Schautafeln zu finden sein, auf denen geschrieben steht, „Danke das ihr uns freigebombt habt“???
Kann man wirklich nicht vergleichen? Auf meinem weiteren Trip durch die Stadt werde ich auch von einer Vietnamesin – An – angesprochen, die mir nichts verkaufen will. Gerade in dem Moment, als ich darüber zu sinnieren begann, ob es mir als Hoteltourist möglich ist, Land und Kultur kennenzulernen.Wir kommen ins Gespräch und bei einem Schneiders Weisse Hefeweizen (zu einem auch für Deutschland hohen Preis), ist dann sogar die Sonne untergegangen. Ich bin für morgen früh zur Teilnahme an einem Tet-Familienfest herzlich eingeladen, und da auch ihre Schwester aus China diese Woche zu Besuch wäre, sei dies dies doch für meinen Besuch in Beijing und Shanghai eine gute Gelegenheit.
Was bringt man zu solch einer Gelegenheit als Geschenk mit? Eine Torte und eine Flasche Wein? Den Abend beschliesse ich wie überlegt mit einer Pizza Tonno et Cipolla – etwas wenig Fisch vielleicht, aber definitiv in recht ordentlicher Qualität. Unter Geiern Die Teilnahme am Tet-Familienfest verlief unerwartet. Ich traf mich mit An zur verabredeten Zeit in einer Filiale von Highlands Coffee und dann ging es mit dem Taxi los. Auch aufgrund unserer Unterhaltung während der Fahrt war es mir nicht möglich, dem Verlauf der Fahrt zu folgen, aber die grobe Richtung sagte mir schon, dass wir nicht nach Distrikt 3 unterwegs waren, sondern nach Nordwesten. Das Taxi verschwand in einem Labyrinth von Gassen und ab und an erfolgten Links Rechts, Links-Kommandos, bis wir anhielten und 100000 Dong für das Taxi zahlten. Ein hohes blaues Stahltor verschluckte uns und wir betraten ein unscheinbares Haus.
Die Schwester wäre bis zum Nachmittag auf Mekongdeltatour, die Familie stellte sich als Bruder oder Schwager heraus (undeutliches Englisch-Problem, aber ich meine ein in law hinter dem brother vernommen zu haben). An zog sich zurück und der Schwager unterhielt sich mit mir. Er würde in einem Hotelcasino als Kartengeber arbeiten.
Dann aßen wir zusammen, Reis mit Fisch und Gemüse und ich überreichte die als Geschenk mitgebrachte Flasche Wein. Mir wurde daraufhin eine gleichartige Flasche aus dem Kühlschrank präsentiert, regelrecht unter die Nase gerieben, die wohl ein anderer Gast mitgebracht hatte.
Nach dem Essen wollte mir der Schwager seine Technik des Kartenspieles zeigen, wozu wir in sein Zimmer im Hinterhaus gingen. An wollte einen grünen Tee bereiten, den sie dann bringen würde.
Ein wenig skeptisch war ich schon, warum wir die Sitzgruppe im Eingangsbereich verließen und wir tief ins Innere gehen mussten.
Dort wurde mir ein Klappstuhl vor einem mit einer Plüschdecke bedeckten Klapptisch zugewiesen. Ohne Scheiß, ich habe so weit es mir unauffällig möglich war unter den Tisch gefühlt, weil mir die Situation alles andere als geheuer war, und ich wirklich daran denken musste, dass der Tisch eine Falle darstellte. Was kann schon passieren? Ich könnte mein mitgebrachtes Hab und Gut verlieren, doch dann fiel mir ein, dass ich nicht wie zuvor überlegt die Kreditkarte im Hotel gelassen hatte. Ich könnte also durchaus zur Herausgabe der Geheimnummer gefoltert werden und nie wieder lebendig auftauchen. Wie man es auch in Bolivien mit Rucksackreisenden gemacht hat.
Dumm gelaufen, aber Paranoia hilft auch nicht und so etwas hat man von Vietnam bisher nicht gehört, oder? Ich setze mich. Mir werden die Regeln des Blackjack Schritt für Schritt erläutert, die Technik, den Verlust beim Spiel zu vermeiden stellte sich Schritt um Schritt als Betrug heraus. Der feine Kartengeber würde mir kurz die oben auf liegende Karte zeigen und durch andeuten mit den Fingern einer Hand, welchen Wert die verdeckte Karte der Bank hätte. Mit diesen Informationen wäre es somit beinahe unmöglich zu verlieren. Zu Beginn sollte in mir wohl die Gier geweckt werden, dass bei solchen privaten Blackjackspielen außerhalb der Kasinos die Geschäftsleute durchaus Hunderttausende US Dollar verzocken würden. Ganz diskret alles, keine Kameras, denn wer würde sch on Geschäfte mit Jemand machen, von dem man weiß, dass er große Summen beim Glückspiel einsetzt? Genau. Und es wären auch Spiele mit Leuten, die Geld wie Wasser lassen würden. Der Kartengeber wäre auch nicht direkt beteiligt, da er nur Vermittler zwischen zwei Spielern wäre, von denen einer (der abzuzockende) die Bank übernehmen würde.
Der Schwager hätte die Kontakte zu Spielern und die Möglichkeit und Vertrauensposition solche Spiele zu organsieeren, aber er suche noch einen Partner. Hier käme ich sozusagen ins Spiel, als ein Programmierer hätte ich ja leicht das System erlernen können, inklusive zu gebender „Protection“, dass eine gezogene Karten mit den bereits gehaltenen Karten verdeckt vermischt wird, damit später nicht nachvollziehbar ist, ob die letzte Karte zu einem Gewinn geführt hatte.
Plötzlich lagen bereits 200 Dollar auf dem Tisch, die er gestern als Provision erhalten hätte und gleich käme jemand, ich möge doch behaupten, es handele sich um mein Geld und ich ließe An damit spielen. Denn dass An als Local mal eben so 200 Dollar beim Blackjack einsetzen könnte, würde man ihr nicht abnehmen, einem vertrauenswürdig aussehenden, mutmaßlich reichen Weißbrot wie mir jedoch durchaus.
Ich müsse nicht spielen, nur beobachten. Mit anderen Worten, ich müsse mich nur dafür hergeben, jemand anderen in die Falle zu locken. Aber vielleicht wäre ich auch der Betrogene geworden, ohne Möglichkeit sich zu beschweren, denn es gibt kein Schutzrecht vor Betrug für Betrüger. Wie kommt man aus so einer Nummer wieder heraus, ohne den berühmten Gesichtsverlust? Wie kommt man unbehelligt aus so einem Hinterzimmer wieder heraus? Ein Prinzipientreuer Mensch, der das Glückspiel um Geld generell ablehnt, macht niemanden den Vorwurf betrügerische Absichten zu haben, sondern der spielt einfach nicht. Es ging hier ja nicht darum, dass jeder Spieler fünf Euro in einen Topf schmeißt, der dann zwischen den Gewinnern aufgeteilt wird. Es brach ein intensiver Diskurs auf Vietnamesisch zwischen dem Schwager und An aus, der Schwager müsste, wie er vorher erwähnt hatte zur Arbeit, doch gehen musste ich. Ich wurde – so schnell wie noch nie in meinem Leben! – innerhalb von fünfundvierzig Sekunden aus dem Haus bis ans Tor komplimentiert und dort wartete dann auch ein Verwandter Motorradtaxifahrer, mit dem ich doch schnell fahren solle, und nicht laufen wie vorgschlagen, denn ein Weißer hier in den Straßen würde doch suspekt sein und außerdem wäre es viel zu weit. Um fünf Uhr Nachmittag würden wir uns dann im Cafe mit ihrer Schwester (der aus China) treffen. Aber klar doch. Ist ja Tet und so blöd bin ich zweimal am Tag…
Ich glaube ja, es sollte bloß vermieden werden, dass ich den genauen Ort dieses Räubernestes mir merken könnte. Ich verkniff mir die Versuchung mein GPS anzuschalten, und mein Glück zu überstrapazieren.
Der feine „Verwandte“ wollte mir während der Fahrt Massage bei einer very beautiful woman anbieten, oder auch eine Rundfahrt durch die Stadt. Dabei ignorierte er wie so viele andere Motorradfahrer hier jegliche Verkehrsregeln und -lichtanlagen, so dass ich deswegen um ein Haar unter einen Bus geraten wäre.
An der Kathedrale bat ich ihn anzuhalten und dann will dieses dreiste Früchtchen auch noch glatt Fünfzig Dollar von mir für eine Fahrt von knapp fünf Minuten, in etwa dass Dreißigfache dessen, was das Taxi gekostet hat! Und droht mir! Es war bereits völlig unangemessen 50000Dong für die Fahrt zu bezahlen, aber mein Puls war bei 180 und ich war drauf und dran dem Kerl seinen Alibihelm um die Ohren zu schlagen und den Ärger war er nicht wert. Gegen eine Preisdiskussion mit einem eventuell zu findenden Polizisten hätte ich nichts gehabt. Ich schickte An dann eine SMS, dass ich nach dem Abzockversuch ihres „Verwandten“ sehr entäuscht wäre und kein Interesse an weiteren Treffen hätte. Eigentlich dachte ich schon eine gute Menschenkenntnis zu besitzen, machte sie am Vortag doch einen ehrlichen Eindruck. Vielleicht ist sie auch nur ein Opfer der Umstände und war dazu gezwungen, mich für dubiose Machenschaften anzuwerben. Das täte mir leid, ändert aber nichts, denn mein Interesse am zwielichtigen Milieu in Asien hält sich in Grenzen. Am meisten an der Sache ärgert mich jedoch, dass sie allen rechtschaffenden Menschen schadet, die mich aus ehrlichem Interesse, ohne Hintergedanken ansprechen. Für mich ist es durch die heutigen Erlebnisse schwerer geworden, sie nicht unter Generalverdacht zu stellen, ebenfalls zum Pack der Nepper, Schlepper und Bauernfänger zu gehören und mich auf sie einzulassen. Für den Abend hatte ich mir überlegt in ein Kino zu gehen und bin dorthin fast eine Stunde zu Fuß unterwegs gewesen, weil die Postionierung des Kinos auf ihrer Googlekarte sich als falsch und weiter entfernt herausstellte. Alle Vorstellungen in Englisch mit Untertiteln warn bereits ausverkauft und einen Restplatz zweite Reihe ganz außen für Avatar-3D für umgerechnet Acht Euro reizte mich nicht gerade.

Hüperschallgeschwindigkeit

Hanoi, Vietnam

Mit dem TukTuk ging es vom Gasthaus in Vientiane zum Flughafen, dort hieß es erst einmal warten, dann warten und halt: immer noch zu schnell, langsamer warten; doch irgendwann hob die Maschine mit mir an Bord ab und ich trank mein vorerst letztes Laobeer über den Wolken. Statt Kaffee. Denn den gab es nicht zum Croissant und Küchelchen. Passte nicht wirklich das Bier, aber das Leben ist halt nicht immer wie eine Pralinenschachtel, nicht wahr? Mit fast zweistündiger Verspätung trat ich dann in Hanoi in den Ankunftsbereich und da stand tatsächlich jemand mit einem Schild Mr. Rolf.
Der Nachname sah meinem ähnlich, also gab ich mich zu erkennen. Es ging dann in einem nagelneuen Toyota vom Flughafen in die Altstadt. Luxus.
Je näher wir unserem Ziel kamen, umso mehr Orangenbäumchen und Pfirsichblütengebinde begleiteten uns auf Rollern. Es sah zum Teil wirklich so aus, als würden die Bäumchen fahren, ließen sich die eigentlichen Rollerpiloten nur irgendwo im Geäst erahnen.
Dann Ankunft im vorgebuchten Hotel, alles rennet rettet flüchtet, „we have a problem with the single rooms, we can make you a reservation in another hotel…“, HÄH? Hatte ich die Reservierung doch noch vor drei Tagen nochmals rückbestätigt!, „ok we have room, follow me“, nun doch?, das Zimmer erster Stock, über dem Foyer, Tür auf, Tür zu, „oh my god“ entschlüpft es dem Guten, DAS Zimmer war wohl nicht gemacht, „can you give me thirty minutes?“ Wo wäre denn das Fenster? View Deluxe Room war immerhin meine Buchung, „oh, all single rooms have no window, if you want to stay here with window, we can make you a reservation in another hotel…“ Hatten wir doch eben schon mal? But how can you confirm me a nonexisting room reservation? I can show you your email!?! Uhoh, Problem, das Zimmer vewüstet, grimmiger Falang…Telefonieren…“Ok, follow me“ Zwei Etagen höher: „You can have double room, with window, same price“ Das Fenster mickrig, view deluxe, Balkon??? aber immerhin, es sieht ganz ok aus, erst mal frisch machen, denn es ist verdammt schwül, die Minibar tuckert wie ein Lastkahn auf dem Rhein, im Inneren ein eisiger Monolith, ich ziehe den Stecker. Es gibt tatsächlich WLAN, laut Bick auf Hotelwebsite scheint es ein deluxe Zimmer zu sein, beinahe wie gebucht, den dort angepriesenen Früchtekorb, Wasser, Tee- und Kaffeekochmöglichkeit, sowie Schließfach gibt es nur in einem Paralleluniversum, ich mach dann mal ein paar Überraschungsanrufe daheim und dann stürze ich mich ins Rollergetümmel draußen auf der Suche nach einem Millionenspender und einer Essensausgabe. Nach drei Wochen laotischer Gemütlichkeit macht es den Eindruck, ich wurde in eine andere Zeit katapultiert; ein Eindruck, der sich am nächsten Morgen noch verstärken sollte.
Ich werde recht bald zum Dong-Millionär und dann stolpere ich über eine Speisekarte mit fried balsam apple with beef. Man zeigt mir ein grünes Gemüse, eine Kreuzung aus unreifer Kastanie und Gurke. Bitter soll sie schmecken, und das tut sie auch, ein Bier wird frisch geschöpft (mittels Plastikschüssel in einen Krug) und eine Handvoll Klebreis aus dem Kühlschrank wird warm gemacht – insgesamt die Erfahrung, das es manchmal besser ist, nicht sehen zu müssen, wie das Essen zubereitet wird.
(Habe grad mal nachgeschlagen, was für ein ungenießbares Früchtchen ich da – nur teilteilweise – verspeist habe: Momordica balsamina, wurde als Heilpflanze bei Wunden eingesetzt, ah: Einsatz gegen Verdauungsprobleme… oh: Wirksamkeit nicht nachgewiesen… Geschmack: Definitv kein zweites Mal…)
Halbwegs satt laufe ich durch die Straßen, vorbei an Roller-drive-in-Wühltischen: die Klamotten liegen in einem Haufen auf dem Bürgersteig und vom Roller aus wird von jungen Damen über den Lenker hinweg wird mit laufendem Motor daraus herausgezupft und untersucht – bloß nicht absteigen und nicht die halbe Straße verstopfen! Dann noch über den Nachtmarkt, ein Riesentrubel, viel Neujahrsbedarf und Kleidung für junge Asiaten. Nichts für mich. Das Frühstücksbuffet im winzigen Dachrestaurant ist gut, mit kräftigem Kaffee mit einem Hauch von Vanillearoma. Der Wäscheservice im Hotel scheint mir Fünfsternepreise zu haben, ich will meine Schmutzwäsche deshalb selber in einer Reinigung abgeben – ich hatte eine am Nachtmarkt gesehen. Doch ich finde sie bei brütender Hitze nicht wieder, eine andere Laundry Laudry, ist nicht was sie zu sein vorgibt; nach über einer Stunde gebe ich mich von Wärme und lautem Gehüpe geschlagen und gebe meine Wäsche doch an der Rezeption ab.
Nebenan ist ein Frisersalon. Was kostet das Haareschneiden? Was? Ist ja teurer als daheim in Deutschland! Nein danke und tschüss. Wie ein Sektkorken aus der Flasche werde ich vom Hüperschall aus der Altstadt ins französische Viertel gedrückt, einseitig beinahe ertaubt. Erholsame Stille. Ich weiß nicht, was die Hanoianer veranlasst umso mehr zu hupen, je schmaler die Straßen sind. Einige verwechseln ihren Roller wohl mit einem Raumschiff in einem Videospiel und den Hupentaster mit dem Feuerknopf; wobei es gilt so viele gegnerische Raumschiffe wie möglich wegzupusten. Hierzu haben einige ihre Hupen technisch modifiziert, um mit einem Druck ein Stakkato von Huptönen abfeuern zu können, ein Dauerfeuerschalter wie an Joysticks, schont den Daumen vor Überlastung. Doch Nichts und Niemand schont das Gehör, für manche Hupen bräuchten die Betreiber einen Waffenschein – Schallkanone ist ein passenderer Ausdruck als Hupe. Neben der Kathedrale setze ich mich in ein herrlich stilles Straßencafe und genieße einen Mixed-Shake. Dieser schmeckt gut, hat aber eine eigenartig cremige Konsistenz, wie dicker Tapetenkleister – es hat den Anschein, man hätte ebenfalls eine Origamifrucht püriert. Auch nach Minuten behält er seine Form. Die neue Nebenfrau von Herr Wu betritt meine literarische Bühne und es ist High Noon, als ich erneut aufbreche.
Von ihrem Lonely Planet geleitet sehe ich einige Touristen in schmalen Hauseingängen verschwinden – ein genauerer Blick offenbart die Cafes im ersten Stockwerk, doch für einen Kaffee ist es einfach viel zu heiß. Wie einladend klingt da doch Abbas „Happy new year“, wenngleich etwas verzerrt: ein Elektro-Shoppingtempel hat seine Pforten weit geöffnet. Inklusive Palettenausgabe am Roller-Drive-In. Es gibt alles was das moderne Konsumherz begehrt: Notebooks, Digitalkameras, Waschmaschinen, Klimaanlagen und Flachbildschirme. Mein Favorit: der knapp Sechzig Zoll große Full HD Bildschirm für Zweiundfünzig Millionen Dong. Hier kann man Konsummäßig klotzen statt kleckern – die Kreditabteilung erstreckt sich über die gesamte Breite des Geschäfts, willkommen in der Neuzeit… An einem Straßenrestaurant nehme ich Platz, frage nach einem kalten Bier. Aber sicher, sagt der Kellner, kommt einige Zeit später mit einem Glas und einem Kübel voller Eiswürfeln und einer handwarmen Flasche Bier zurück. Was meint der Scherzkeks denn, wieviel Eis man braucht, um dieses Bier auf Trinktemperatur zu kühlen? Nach Wasser mit Biergeschmack stand mir nicht gerade der Sinn… „If you can wait, I put it in the fridge“ lautet die Antwort auf meine Frage nach einer kalten Bierflasche. Dann eben nicht, die Flasche ist ja noch zu, und ich hoffe ich verhalte mich nicht wie ein Kolonialherr, wenn ich die Bemühungen des Restaurants nur durch meine Abwesenheit zu würdigen weiß.
In einem anderen einheimischen Hinterhof komme ich zu spät: der Betreiber konstatiert einen bereits durch andere durstige Kehlen geplünderten Kühlschrank und auf seine vorsichtige Anfrage „With ice?“ erwartet er nicht wirklich eine zustimmende Antwort. Auf in den Bahnhof. Dort soll man Zugtickets auch von anderen Startbahnhöfen, fürs ganze Land kaufen können. Erscheint mir ratsam, wo doch rund ums Neujahrsfest halb Vietnam auf den Füßen und durch die Lande ziehen soll.
Vor den Schaltern kann man Nummern ziehen, ich drücke den Knopf Bookings und erhalte die 2547. An einem Schalter leuchtet 2541, ich setze mich ordentlich auf eine der Wartebänke. Neben mir lässt sich ein Mann in den Metallsessel plumpsen und hämmert seinen Hinterkopf auf die Lehne. Hmm?
Laut Reiseführer sollen Vietnamesen die Preußen Asiens sein, auch ein Jugendlicher zieht eine Nummer und wartet, aber ansonsten scheinen die Menschen von Systematik nichts zu halten und drängen sich vor den winzigen Schalterfenstern aneinander. Die angezeigten Nummern verändern sich auch nach Minuten nicht im geringsten und einige Schalter weisen trotz Bedienung die Ziffer Viermalbindestrich auf.
Ich stelle mich auch vor den Schalter, lege jedoch Wert auf gewissen körperlichen Abstand, mag mich gerade nicht an wildfremde Menschen kuscheln. Ist der Abstand jedoch zu groß, fühlt sich der Ein oder Andere dazu animiert davorzukuscheln. Vielleicht ist es auch eine große zusammengehörige Reisegruppe, mir kommen gewisse Zweifel, ob ich in endlicher Zeit zum Schalter vordringen werde und wie es mir dann erst in China ergehen wird, wenn bereits die ordentlichen Preußen dermaßen drängeln? Endlich am Schalter angelangt, versteht man mich nicht, oder kann man mir nicht helfen. Erst auf Nachfrage, wo man mir denn helfen könnte, verweist die Dame auf Schalter Sechs oder Sieben. Wer nicht fragt stirbt dumm. Am Schalter Sieben dringe ich schneller zu der Angestellten vor, umringt von einem Pulk Vietnamesen, ich komme bis zum „Softseat“ und dann ist Geldzählen angesagt. Geschlagene zehn Minuten wandern die Millionen in die Hände der Vorgesetzten, da kann man nichts machen, aber interessant ist es. Wo waren wir? Ahja Softseat, Aircondition Saigon – Nha trang 12:20 in einer Woche – es gelingt und für umgerechnet zehn US Dollar halte ich ein Ticket in Händen.
Hinter dem Bahnhof erstehe ich eine Vinaphone SIM Karte für 65000 Dong mit vermutlich 50000 Dong Guthaben. Aktivierung? Servicenummern? Null Info, der Shopverkäufer spricht kein Englisch, jegliche Beschriftung ist auf Vietnamesisch, aber der Wählknochen akzeptiert die Karte, hat Netz. Berauscht von meinen Erfolgen frage ich in einem Friseurgeschäft einen Block weiter nach dem Preis für einen Haarschnitt – hier kostet es nur ein Drittel von heute morgen, ich nehme auf einem Stuhl Platz. Mein Erscheinen sorgt für Belustigung – solch güldene Haarpracht scheint hier nur selten unters Messer zu kommen. Ein junges Mädchen fängt an zu schneiden, dann kritische Kommentare, sorgenvolle Gesichter, was ist nur an meinem Hinterkopf geschehen?
Nach ei***** Zeit bin ich fertig frisiert, zum Schluß nochmals Spannung mit dem Nacken ausrasieren, immerhin es wird eine neue Rasierklinge eingelegt, ist ja immer so eine Sache mit Messern und Nadeln zwischen mehreren Menschen.
Es hätte kürzer sein können, aber ich will mein Glück besser nicht überstrapazieren, streiche mir beim Aufstehen durch den Pony, um die losen Haare zu entfernen. Entsetzte Gesichter!? „You can have it cut shorter, if you want to?“ heißt es. Will ich? Ich will wohl, werde in den Frisierstuhl zurückgeleitet und nun legt die Chefin grummelnd Hand an, Schnippschnappschnipp gehen noch ein paar Ecken und Kanten flöten, dann darf ich frisch frisiert um 100.000 Dong ärmer das Geschäft verlassen. Ich bin am Literaturtempel, ein Friseur an der umgebenden Mauer bietet mir seine Dienste an – Hoppla!? Vielleicht doch keine gute Idee mit dem Friseurbesuch gewesen? Die Eintrittsgebühr ist schnell beglichen und ich betrete die immerhin fast Tausend Jahre alte Anlage, die zu Ehren von Konfuzius errichtet wurde. Für immerhin beinahe Tausend Jahre war Vietnam Bestandteil des chinesischen Reiches, bis die Vietnamesen nicht mehr wollten und die Chinesen mit Hilfe einer Schildkröte vertrieben haben. Eine sehenswerte, ruhige Anlage. Am See des zurückgegebenen Schwertes (hier soll die legendäre Schidlkröte gehaust haben) gelingt es mir dann endlich ein kaltes, frisch gezapftes Bier zu trinken und dem Hause Wu erneut beizuwohnen. Zum Abschluß erneutes Durchmogeln unter Hüperschall, immer in Bewegung bleiben – wer zögert, gar anhält wird umgefahren, auch auf dem Gehweg. Ich gelange zu einem Pho24: der Filiale einer Nudelsuppenkette. Sieht gemütlicher aus, als die Straßenrestaurants der Altstadt und riecht auch besser. Ich bestelle mein Nudelsüppchen, verweigere mich jedoch den „spink-ohls“ Ah: spring rolls – Flühlingslollen! 🙂 Als Neujahrsaktion gibt es kandierten Ingwer und Kaugummis zum Essen gratis. Ein serviertes Erfrischungstuch kostet jedoch extra, wie ich der Rechnung entnehme. Heute Morgen ist es stark bewölkt und ziemlich windig – die Temperatur ist um knapp fünfzehn Grad gefallen, da braucht es fast ein Jäckchen! Auf zu Onkel Ho! Auf dem Weg zum Mausoleum von Onkel Ho komme ich an einem recht unauffälligen Eingang vorüber und stutze – eine Hausbrauerei? Pilsener? Es dringt Lärm aus der Tür, zu sehen ist nichts, also betrete ich das Lokal Goldmalt. Erdgeschoss ist bis auf den letzten Platz belegt. Erst in der dritten Etage finde ich einen Platz einem Holztisch unter einem Pilsener Urquell Plakat. Die weitere Dekoration besteht aus Risszeichnungen mit Erläuterungen (auf Tschechisch) von Karlsbrücke, Karlsdom und Opernhaus. Ich habe den Rucksack nur zehn Sekunden abgestellt, da steht vor mir bereits ein Glas Bier. Für mich? Habe doch noch überhaupt nichts bestellt? Egal, ich probiere, es schmeckt grossartig!
Das Lokal füllt sich bis auf den letzten Stuhl.
Unter Schwierigkeiten gelange ich an eine Karte und entdecke unter anderem tschechische und deutsche Gerichte. Warum nicht, ich nehme Fried pork slice with sauce (czech style) an fried pork something (german style) traue ich mich nicht heran, ich fürchte dann eine Ladung Innereien zu bestellen.
Ich erhalte ein Schweineschnitzel, in Eigelb und Sesam frittiert und in Stäbchenfreundliche Stückchen geschnitten, dazu eine Schale süßer Chilisauce mit einem Klecks Senf drin. Ich bezweifle die europäische Authentizität des Gerichtes, aber das Fleisch ist wunderbar zart und es schmeckt wunderbar – werde ich mir daheim auch mal servieren! Die Brauerei ist eine nette Hinterlassenschaft des ehemals kommunistischen Bruderstaates. Onkel Ho ist heute nicht zu sprechen – Montags und Freitags geschlossen, ich laufe über Paradestrassen und am Präsidentenplast vorbei bis an den Westsee weiter, mich irritieren ein paar Rollen Stacheldraht vorm Ufer, aber es ist ja offen, ich gehe an einem Armeezelt vorüber, es wird hektisch gewunken und gerufen, ich möge wohl verschwinden. Wo bin ich denn da hineingeraten? Bevor ich als Klassenfeind erschossen werden kann, bin ich auch schon wieder fort, tümmle mich dann durch Botanischen Garten am ollen Lenin vorüber und gerate in ein Gespräch mit einem Motorradtaxifahrer, der einundzwanzig Jahre in Stuttgart gelebt hat (ist seiner Meinung nach größer als Hanoi). Auf dem weiteren Weg kehre ich nochmals bei Goldmalt ein, ich muss doch auch die anderen Biersorten probieren! Davon gibt es derzeit allerdings nur eine: ein Dunkelbier. Pilsener Art schmeckte mir erheblich besser. Am Abend betrete ich erneut von jeglicher Ahnung befreit ein Lokal. Den Eingang könnte man auch für eine Garage halten, aber ich hatte den Vortag Leute in den oberen Etagen sitzen gesehen. Beim Betreten fragt man mich mehrfach „Tigerbeer? Tigerbeer?“ aber ich will doch etwas essen, B ier hatte ich ja bereits. Ich werde die Treppen weiter hochschickt und finde schließlich einen Sitzplatz. Ich bestelle gegrillte Ziegenbrust. Hat nur einen Haken, wie mir eine Familie am Nebentisch erläutert: ich muß selber grillen. Das Ziegenfleisch ist sehr fettig, beinahe wie Schweineschwarte. Zum Grillen wird mir ein Eimer Holzkohle in den Tisch gehängt und ein kleiner Rost darauf gelegt.
Ich habe meine umständlichen fünf Minuten (Stäbchentechnisch), so werde ich beinahe durchgängig von der jungen Kellnerin begrillt. Es ist bewunderswert mit welch schneller Eleganz sie die Fleischstücken auf den Rost wirft, wendet und gegart beiseite legt.
Die gebratenen Fleischstückchen taucht man vor dem Verzehr in Kondensmilch und Ingwerscheiben.
Die Familie am Nebentisch bringt mir ein gefülltes Schnapsgläschen und möchte mit mir aufs neue Jahr anstossen. Den aufgesetzten Schnaps (ebenfalls mit Ziege??) kann ich unmöglich zurückweisen, das wäre sehr unhöflich von mir – brrrr, es schüttelt mich.
Auf die Rechnung wird am Ende zwanzig Prozent Tet-Steuer draufgeschlagen. Insgesamt eine weitere interessante gastronomische Erfahrung, aber ich bin kein Ziegenfleisch-Fan geworden. Da bleibe ich doch lieber bei einer guten Pho Ga – Hühnernudelsuppe in einer Garküche, die ich mir am Spätnachmittag gönne. Gegen mittag war ich am Opernhaus in ein Paris-Deli eingekehrt und gönnte mir je ein Stückchen Blackforest und Mangocream-Torte zu kräftigem Vietnamkaffee, der beinahe rauchig und nach einer Spur Benzin schmeckt. Hört sich seltsam an, ist aber sehr gut!
In einem Geschäft entdecke ich vietnamesischen Rotwein Vang Dalat, die Flasche für 1,50Euro, den muß ich mal probieren. Trinkbar, aber in der halbtrockenen Variante eine Spur zu süß für mich – kann sich morgen der Roomservice über eine fast volle Flasche Rotwein zu Neujahr freuen. Weil es so gut geklappt hat mit dem Bahnticketkauf, besorge ich mir bereits eine Schlafwagenkarte ab Nha Trang nach Da Nang- so ist mir ein Platz in einem unteren Bett sicher. Ich bin noch nie in einem Schlafwagen gereist – eine weitere Premiere. Kostet für die knapp 600km etwa 13Euro. Habe den gewünschten Zug und die Ortsnamen vorher auf einen Zettel geschrieben, da ging es ratzfatz. Es war nur noch ein „Not-„schalter besetzt, der anstehende Jahreswechsel macht sich bemerkbar: fast alle Geschäfte schließen, es wird noch schnell der Schmutz des alten Jahres weggewischt und weggewaschen und um Mitternacht gibt es großes Feuerwerk am See. Darum auch die Stacheldrahtabsperrungen des Militärs. Happy new year Gegen Elf breche ich auf an den See. Unmengen von Menschen sind unterwegs, strömen an die Ufer, um das kommende Feuerwerk zu betrachten. Die meisten sind jung und kleiner als ich, so dass ich keine Probleme habe, mir einen geeigneten Platz in der zweiten Reihe zu sichern.
Zum zweiten Male während meiner Reise habe ich die Gelegenheit Neujahr zu feiern, diesesmal jedoch authentischer als am Strand in Myanmar. Zwar bin ich nicht von hier, es hindert jedoch keine Absperrung die Einheimischen daran, mich in ihre Mitte zu nehmen. Könnte natürlich auch daran liegen, dass ich ein Schirmträger bin, es kühl ist und feiner Nieselregen alles und jeden aufweicht. Ein paar der Jungs rücken mir ziemlich dicht auf die Pelle, nicht dass mir dadurch kuschelig warm würde, nein die sind bereits völlig durchgefroren und saugen mir förmlich die Wärme aus der Schulter.
Um 23:59 wird der Schirm eingeklappt und 00:01 beginnt das Feuerwerk. Leider sorgt das diesige Wetter dafür, dass man das ordentliche Feuerwerk in all seiner Pracht mehr erahnen als sehen kann. Vielleicht sorgt die Feuchtigkeit auch dafür, dass der Schall besser geleitet wird, doch glaube ich auch, dass hierzulande Feuerwerkskörper mit deutlich mehr Wumms eingesetzt werden als bei uns. Ab und an fallen die zerfetzten Reste der Knallkörper vom Himmel. Ich muss bei dem Gedonner der Explosionen daran denken, dass einige der älteren Bewohner sich dadurch bestimmt an den Bombenhagel erinnern werden, der sie in die Steinzeit zurückbefördern sollte.
Um 00:15 ist das Feuerwerk vorüber, es gibt nochmal Beifall und dann stürmen gefühlte Achtundzwanzig Millionen Menschen und Zehn Millionen Roller los. Und selbst bei Nacht, im Nieselregen und unübersichtlichem Gedränge auf glatter Fahrbahn finden sich Tiefflieger, die während der Fahrt unbedingt eine SMS tippen müssen. Das geht nicht immer gut… Mein Taxishuttle zum Flughafen scheint ein rares Gut zu sein, oder aber es soll die Gelegenheit genutzt werden durch weitere Passagiere – ein russisches Päarchen – ein Zusatzgeschäft zu machen – mal sehen, welchen Preis ich nachher zu berappen habe – an sich sollte es billiger für mich werden.
Vorhin habe ich online auch bereits einen weiteren Flug von Hue zurück nach Hanoi gebucht – ich erspare mir dadurch eine knapp Dreizehnstündige Zugfahrt für etwa Zwanzig Euro mehr. Ich bin allerdings zuerst grandios am supersicheren Mastercard Securecode gescheitert, für den man ein weiteres Kennwort bei Bezahlung eingeben muss. Passwort nicht akzeptiert, Karte für Onlineverwendung gesperrt – prima. Der einzige der von diesem System profitiert ist Mastercard, weil es den Missbrauch von Dritten erschwert. Für mich als Kartennutzer bedeutet es nur Zusatzaufwand oder wie in diesem Falle Probleme. Ich bin gezwungen per Skype eine (immerhin kostenlose) Nummer auf der Kreditkarte anzurufen, damit diese nach dem Wochenende reaktiviert werden kann.
Überhaupt habe ich vorhin mit Verwandten und Bekannten geskypt und es hat prima für ein paar Cent geklappt.