Hanoi, Vietnam
Mit dem TukTuk ging es vom Gasthaus in Vientiane zum Flughafen, dort hieß es erst einmal warten, dann warten und halt: immer noch zu schnell, langsamer warten; doch irgendwann hob die Maschine mit mir an Bord ab und ich trank mein vorerst letztes Laobeer über den Wolken. Statt Kaffee. Denn den gab es nicht zum Croissant und Küchelchen. Passte nicht wirklich das Bier, aber das Leben ist halt nicht immer wie eine Pralinenschachtel, nicht wahr? Mit fast zweistündiger Verspätung trat ich dann in Hanoi in den Ankunftsbereich und da stand tatsächlich jemand mit einem Schild Mr. Rolf.
Der Nachname sah meinem ähnlich, also gab ich mich zu erkennen. Es ging dann in einem nagelneuen Toyota vom Flughafen in die Altstadt. Luxus.
Je näher wir unserem Ziel kamen, umso mehr Orangenbäumchen und Pfirsichblütengebinde begleiteten uns auf Rollern. Es sah zum Teil wirklich so aus, als würden die Bäumchen fahren, ließen sich die eigentlichen Rollerpiloten nur irgendwo im Geäst erahnen.
Dann Ankunft im vorgebuchten Hotel, alles rennet rettet flüchtet, “we have a problem with the single rooms, we can make you a reservation in another hotel…”, HÄH? Hatte ich die Reservierung doch noch vor drei Tagen nochmals rückbestätigt!, “ok we have room, follow me”, nun doch?, das Zimmer erster Stock, über dem Foyer, Tür auf, Tür zu, “oh my god” entschlüpft es dem Guten, DAS Zimmer war wohl nicht gemacht, “can you give me thirty minutes?” Wo wäre denn das Fenster? View Deluxe Room war immerhin meine Buchung, “oh, all single rooms have no window, if you want to stay here with window, we can make you a reservation in another hotel…” Hatten wir doch eben schon mal? But how can you confirm me a nonexisting room reservation? I can show you your email!?! Uhoh, Problem, das Zimmer vewüstet, grimmiger Falang…Telefonieren…”Ok, follow me” Zwei Etagen höher: “You can have double room, with window, same price” Das Fenster mickrig, view deluxe, Balkon??? aber immerhin, es sieht ganz ok aus, erst mal frisch machen, denn es ist verdammt schwül, die Minibar tuckert wie ein Lastkahn auf dem Rhein, im Inneren ein eisiger Monolith, ich ziehe den Stecker. Es gibt tatsächlich WLAN, laut Bick auf Hotelwebsite scheint es ein deluxe Zimmer zu sein, beinahe wie gebucht, den dort angepriesenen Früchtekorb, Wasser, Tee- und Kaffeekochmöglichkeit, sowie Schließfach gibt es nur in einem Paralleluniversum, ich mach dann mal ein paar Überraschungsanrufe daheim und dann stürze ich mich ins Rollergetümmel draußen auf der Suche nach einem Millionenspender und einer Essensausgabe. Nach drei Wochen laotischer Gemütlichkeit macht es den Eindruck, ich wurde in eine andere Zeit katapultiert; ein Eindruck, der sich am nächsten Morgen noch verstärken sollte.
Ich werde recht bald zum Dong-Millionär und dann stolpere ich über eine Speisekarte mit fried balsam apple with beef. Man zeigt mir ein grünes Gemüse, eine Kreuzung aus unreifer Kastanie und Gurke. Bitter soll sie schmecken, und das tut sie auch, ein Bier wird frisch geschöpft (mittels Plastikschüssel in einen Krug) und eine Handvoll Klebreis aus dem Kühlschrank wird warm gemacht – insgesamt die Erfahrung, das es manchmal besser ist, nicht sehen zu müssen, wie das Essen zubereitet wird.
(Habe grad mal nachgeschlagen, was für ein ungenießbares Früchtchen ich da – nur teilteilweise – verspeist habe: Momordica balsamina, wurde als Heilpflanze bei Wunden eingesetzt, ah: Einsatz gegen Verdauungsprobleme… oh: Wirksamkeit nicht nachgewiesen… Geschmack: Definitv kein zweites Mal…)
Halbwegs satt laufe ich durch die Straßen, vorbei an Roller-drive-in-Wühltischen: die Klamotten liegen in einem Haufen auf dem Bürgersteig und vom Roller aus wird von jungen Damen über den Lenker hinweg wird mit laufendem Motor daraus herausgezupft und untersucht – bloß nicht absteigen und nicht die halbe Straße verstopfen! Dann noch über den Nachtmarkt, ein Riesentrubel, viel Neujahrsbedarf und Kleidung für junge Asiaten. Nichts für mich. Das Frühstücksbuffet im winzigen Dachrestaurant ist gut, mit kräftigem Kaffee mit einem Hauch von Vanillearoma. Der Wäscheservice im Hotel scheint mir Fünfsternepreise zu haben, ich will meine Schmutzwäsche deshalb selber in einer Reinigung abgeben – ich hatte eine am Nachtmarkt gesehen. Doch ich finde sie bei brütender Hitze nicht wieder, eine andere Laundry Laudry, ist nicht was sie zu sein vorgibt; nach über einer Stunde gebe ich mich von Wärme und lautem Gehüpe geschlagen und gebe meine Wäsche doch an der Rezeption ab.
Nebenan ist ein Frisersalon. Was kostet das Haareschneiden? Was? Ist ja teurer als daheim in Deutschland! Nein danke und tschüss. Wie ein Sektkorken aus der Flasche werde ich vom Hüperschall aus der Altstadt ins französische Viertel gedrückt, einseitig beinahe ertaubt. Erholsame Stille. Ich weiß nicht, was die Hanoianer veranlasst umso mehr zu hupen, je schmaler die Straßen sind. Einige verwechseln ihren Roller wohl mit einem Raumschiff in einem Videospiel und den Hupentaster mit dem Feuerknopf; wobei es gilt so viele gegnerische Raumschiffe wie möglich wegzupusten. Hierzu haben einige ihre Hupen technisch modifiziert, um mit einem Druck ein Stakkato von Huptönen abfeuern zu können, ein Dauerfeuerschalter wie an Joysticks, schont den Daumen vor Überlastung. Doch Nichts und Niemand schont das Gehör, für manche Hupen bräuchten die Betreiber einen Waffenschein – Schallkanone ist ein passenderer Ausdruck als Hupe. Neben der Kathedrale setze ich mich in ein herrlich stilles Straßencafe und genieße einen Mixed-Shake. Dieser schmeckt gut, hat aber eine eigenartig cremige Konsistenz, wie dicker Tapetenkleister – es hat den Anschein, man hätte ebenfalls eine Origamifrucht püriert. Auch nach Minuten behält er seine Form. Die neue Nebenfrau von Herr Wu betritt meine literarische Bühne und es ist High Noon, als ich erneut aufbreche.
Von ihrem Lonely Planet geleitet sehe ich einige Touristen in schmalen Hauseingängen verschwinden – ein genauerer Blick offenbart die Cafes im ersten Stockwerk, doch für einen Kaffee ist es einfach viel zu heiß. Wie einladend klingt da doch Abbas “Happy new year”, wenngleich etwas verzerrt: ein Elektro-Shoppingtempel hat seine Pforten weit geöffnet. Inklusive Palettenausgabe am Roller-Drive-In. Es gibt alles was das moderne Konsumherz begehrt: Notebooks, Digitalkameras, Waschmaschinen, Klimaanlagen und Flachbildschirme. Mein Favorit: der knapp Sechzig Zoll große Full HD Bildschirm für Zweiundfünzig Millionen Dong. Hier kann man Konsummäßig klotzen statt kleckern – die Kreditabteilung erstreckt sich über die gesamte Breite des Geschäfts, willkommen in der Neuzeit… An einem Straßenrestaurant nehme ich Platz, frage nach einem kalten Bier. Aber sicher, sagt der Kellner, kommt einige Zeit später mit einem Glas und einem Kübel voller Eiswürfeln und einer handwarmen Flasche Bier zurück. Was meint der Scherzkeks denn, wieviel Eis man braucht, um dieses Bier auf Trinktemperatur zu kühlen? Nach Wasser mit Biergeschmack stand mir nicht gerade der Sinn… “If you can wait, I put it in the fridge” lautet die Antwort auf meine Frage nach einer kalten Bierflasche. Dann eben nicht, die Flasche ist ja noch zu, und ich hoffe ich verhalte mich nicht wie ein Kolonialherr, wenn ich die Bemühungen des Restaurants nur durch meine Abwesenheit zu würdigen weiß.
In einem anderen einheimischen Hinterhof komme ich zu spät: der Betreiber konstatiert einen bereits durch andere durstige Kehlen geplünderten Kühlschrank und auf seine vorsichtige Anfrage “With ice?” erwartet er nicht wirklich eine zustimmende Antwort. Auf in den Bahnhof. Dort soll man Zugtickets auch von anderen Startbahnhöfen, fürs ganze Land kaufen können. Erscheint mir ratsam, wo doch rund ums Neujahrsfest halb Vietnam auf den Füßen und durch die Lande ziehen soll.
Vor den Schaltern kann man Nummern ziehen, ich drücke den Knopf Bookings und erhalte die 2547. An einem Schalter leuchtet 2541, ich setze mich ordentlich auf eine der Wartebänke. Neben mir lässt sich ein Mann in den Metallsessel plumpsen und hämmert seinen Hinterkopf auf die Lehne. Hmm?
Laut Reiseführer sollen Vietnamesen die Preußen Asiens sein, auch ein Jugendlicher zieht eine Nummer und wartet, aber ansonsten scheinen die Menschen von Systematik nichts zu halten und drängen sich vor den winzigen Schalterfenstern aneinander. Die angezeigten Nummern verändern sich auch nach Minuten nicht im geringsten und einige Schalter weisen trotz Bedienung die Ziffer Viermalbindestrich auf.
Ich stelle mich auch vor den Schalter, lege jedoch Wert auf gewissen körperlichen Abstand, mag mich gerade nicht an wildfremde Menschen kuscheln. Ist der Abstand jedoch zu groß, fühlt sich der Ein oder Andere dazu animiert davorzukuscheln. Vielleicht ist es auch eine große zusammengehörige Reisegruppe, mir kommen gewisse Zweifel, ob ich in endlicher Zeit zum Schalter vordringen werde und wie es mir dann erst in China ergehen wird, wenn bereits die ordentlichen Preußen dermaßen drängeln? Endlich am Schalter angelangt, versteht man mich nicht, oder kann man mir nicht helfen. Erst auf Nachfrage, wo man mir denn helfen könnte, verweist die Dame auf Schalter Sechs oder Sieben. Wer nicht fragt stirbt dumm. Am Schalter Sieben dringe ich schneller zu der Angestellten vor, umringt von einem Pulk Vietnamesen, ich komme bis zum “Softseat” und dann ist Geldzählen angesagt. Geschlagene zehn Minuten wandern die Millionen in die Hände der Vorgesetzten, da kann man nichts machen, aber interessant ist es. Wo waren wir? Ahja Softseat, Aircondition Saigon – Nha trang 12:20 in einer Woche – es gelingt und für umgerechnet zehn US Dollar halte ich ein Ticket in Händen.
Hinter dem Bahnhof erstehe ich eine Vinaphone SIM Karte für 65000 Dong mit vermutlich 50000 Dong Guthaben. Aktivierung? Servicenummern? Null Info, der Shopverkäufer spricht kein Englisch, jegliche Beschriftung ist auf Vietnamesisch, aber der Wählknochen akzeptiert die Karte, hat Netz. Berauscht von meinen Erfolgen frage ich in einem Friseurgeschäft einen Block weiter nach dem Preis für einen Haarschnitt – hier kostet es nur ein Drittel von heute morgen, ich nehme auf einem Stuhl Platz. Mein Erscheinen sorgt für Belustigung – solch güldene Haarpracht scheint hier nur selten unters Messer zu kommen. Ein junges Mädchen fängt an zu schneiden, dann kritische Kommentare, sorgenvolle Gesichter, was ist nur an meinem Hinterkopf geschehen?
Nach ei***** Zeit bin ich fertig frisiert, zum Schluß nochmals Spannung mit dem Nacken ausrasieren, immerhin es wird eine neue Rasierklinge eingelegt, ist ja immer so eine Sache mit Messern und Nadeln zwischen mehreren Menschen.
Es hätte kürzer sein können, aber ich will mein Glück besser nicht überstrapazieren, streiche mir beim Aufstehen durch den Pony, um die losen Haare zu entfernen. Entsetzte Gesichter!? “You can have it cut shorter, if you want to?” heißt es. Will ich? Ich will wohl, werde in den Frisierstuhl zurückgeleitet und nun legt die Chefin grummelnd Hand an, Schnippschnappschnipp gehen noch ein paar Ecken und Kanten flöten, dann darf ich frisch frisiert um 100.000 Dong ärmer das Geschäft verlassen. Ich bin am Literaturtempel, ein Friseur an der umgebenden Mauer bietet mir seine Dienste an – Hoppla!? Vielleicht doch keine gute Idee mit dem Friseurbesuch gewesen? Die Eintrittsgebühr ist schnell beglichen und ich betrete die immerhin fast Tausend Jahre alte Anlage, die zu Ehren von Konfuzius errichtet wurde. Für immerhin beinahe Tausend Jahre war Vietnam Bestandteil des chinesischen Reiches, bis die Vietnamesen nicht mehr wollten und die Chinesen mit Hilfe einer Schildkröte vertrieben haben. Eine sehenswerte, ruhige Anlage. Am See des zurückgegebenen Schwertes (hier soll die legendäre Schidlkröte gehaust haben) gelingt es mir dann endlich ein kaltes, frisch gezapftes Bier zu trinken und dem Hause Wu erneut beizuwohnen. Zum Abschluß erneutes Durchmogeln unter Hüperschall, immer in Bewegung bleiben – wer zögert, gar anhält wird umgefahren, auch auf dem Gehweg. Ich gelange zu einem Pho24: der Filiale einer Nudelsuppenkette. Sieht gemütlicher aus, als die Straßenrestaurants der Altstadt und riecht auch besser. Ich bestelle mein Nudelsüppchen, verweigere mich jedoch den “spink-ohls” Ah: spring rolls – Flühlingslollen! 🙂 Als Neujahrsaktion gibt es kandierten Ingwer und Kaugummis zum Essen gratis. Ein serviertes Erfrischungstuch kostet jedoch extra, wie ich der Rechnung entnehme. Heute Morgen ist es stark bewölkt und ziemlich windig – die Temperatur ist um knapp fünfzehn Grad gefallen, da braucht es fast ein Jäckchen! Auf zu Onkel Ho! Auf dem Weg zum Mausoleum von Onkel Ho komme ich an einem recht unauffälligen Eingang vorüber und stutze – eine Hausbrauerei? Pilsener? Es dringt Lärm aus der Tür, zu sehen ist nichts, also betrete ich das Lokal Goldmalt. Erdgeschoss ist bis auf den letzten Platz belegt. Erst in der dritten Etage finde ich einen Platz einem Holztisch unter einem Pilsener Urquell Plakat. Die weitere Dekoration besteht aus Risszeichnungen mit Erläuterungen (auf Tschechisch) von Karlsbrücke, Karlsdom und Opernhaus. Ich habe den Rucksack nur zehn Sekunden abgestellt, da steht vor mir bereits ein Glas Bier. Für mich? Habe doch noch überhaupt nichts bestellt? Egal, ich probiere, es schmeckt grossartig!
Das Lokal füllt sich bis auf den letzten Stuhl.
Unter Schwierigkeiten gelange ich an eine Karte und entdecke unter anderem tschechische und deutsche Gerichte. Warum nicht, ich nehme Fried pork slice with sauce (czech style) an fried pork something (german style) traue ich mich nicht heran, ich fürchte dann eine Ladung Innereien zu bestellen.
Ich erhalte ein Schweineschnitzel, in Eigelb und Sesam frittiert und in Stäbchenfreundliche Stückchen geschnitten, dazu eine Schale süßer Chilisauce mit einem Klecks Senf drin. Ich bezweifle die europäische Authentizität des Gerichtes, aber das Fleisch ist wunderbar zart und es schmeckt wunderbar – werde ich mir daheim auch mal servieren! Die Brauerei ist eine nette Hinterlassenschaft des ehemals kommunistischen Bruderstaates. Onkel Ho ist heute nicht zu sprechen – Montags und Freitags geschlossen, ich laufe über Paradestrassen und am Präsidentenplast vorbei bis an den Westsee weiter, mich irritieren ein paar Rollen Stacheldraht vorm Ufer, aber es ist ja offen, ich gehe an einem Armeezelt vorüber, es wird hektisch gewunken und gerufen, ich möge wohl verschwinden. Wo bin ich denn da hineingeraten? Bevor ich als Klassenfeind erschossen werden kann, bin ich auch schon wieder fort, tümmle mich dann durch Botanischen Garten am ollen Lenin vorüber und gerate in ein Gespräch mit einem Motorradtaxifahrer, der einundzwanzig Jahre in Stuttgart gelebt hat (ist seiner Meinung nach größer als Hanoi). Auf dem weiteren Weg kehre ich nochmals bei Goldmalt ein, ich muss doch auch die anderen Biersorten probieren! Davon gibt es derzeit allerdings nur eine: ein Dunkelbier. Pilsener Art schmeckte mir erheblich besser. Am Abend betrete ich erneut von jeglicher Ahnung befreit ein Lokal. Den Eingang könnte man auch für eine Garage halten, aber ich hatte den Vortag Leute in den oberen Etagen sitzen gesehen. Beim Betreten fragt man mich mehrfach “Tigerbeer? Tigerbeer?” aber ich will doch etwas essen, B ier hatte ich ja bereits. Ich werde die Treppen weiter hochschickt und finde schließlich einen Sitzplatz. Ich bestelle gegrillte Ziegenbrust. Hat nur einen Haken, wie mir eine Familie am Nebentisch erläutert: ich muß selber grillen. Das Ziegenfleisch ist sehr fettig, beinahe wie Schweineschwarte. Zum Grillen wird mir ein Eimer Holzkohle in den Tisch gehängt und ein kleiner Rost darauf gelegt.
Ich habe meine umständlichen fünf Minuten (Stäbchentechnisch), so werde ich beinahe durchgängig von der jungen Kellnerin begrillt. Es ist bewunderswert mit welch schneller Eleganz sie die Fleischstücken auf den Rost wirft, wendet und gegart beiseite legt.
Die gebratenen Fleischstückchen taucht man vor dem Verzehr in Kondensmilch und Ingwerscheiben.
Die Familie am Nebentisch bringt mir ein gefülltes Schnapsgläschen und möchte mit mir aufs neue Jahr anstossen. Den aufgesetzten Schnaps (ebenfalls mit Ziege??) kann ich unmöglich zurückweisen, das wäre sehr unhöflich von mir – brrrr, es schüttelt mich.
Auf die Rechnung wird am Ende zwanzig Prozent Tet-Steuer draufgeschlagen. Insgesamt eine weitere interessante gastronomische Erfahrung, aber ich bin kein Ziegenfleisch-Fan geworden. Da bleibe ich doch lieber bei einer guten Pho Ga – Hühnernudelsuppe in einer Garküche, die ich mir am Spätnachmittag gönne. Gegen mittag war ich am Opernhaus in ein Paris-Deli eingekehrt und gönnte mir je ein Stückchen Blackforest und Mangocream-Torte zu kräftigem Vietnamkaffee, der beinahe rauchig und nach einer Spur Benzin schmeckt. Hört sich seltsam an, ist aber sehr gut!
In einem Geschäft entdecke ich vietnamesischen Rotwein Vang Dalat, die Flasche für 1,50Euro, den muß ich mal probieren. Trinkbar, aber in der halbtrockenen Variante eine Spur zu süß für mich – kann sich morgen der Roomservice über eine fast volle Flasche Rotwein zu Neujahr freuen. Weil es so gut geklappt hat mit dem Bahnticketkauf, besorge ich mir bereits eine Schlafwagenkarte ab Nha Trang nach Da Nang- so ist mir ein Platz in einem unteren Bett sicher. Ich bin noch nie in einem Schlafwagen gereist – eine weitere Premiere. Kostet für die knapp 600km etwa 13Euro. Habe den gewünschten Zug und die Ortsnamen vorher auf einen Zettel geschrieben, da ging es ratzfatz. Es war nur noch ein “Not-“schalter besetzt, der anstehende Jahreswechsel macht sich bemerkbar: fast alle Geschäfte schließen, es wird noch schnell der Schmutz des alten Jahres weggewischt und weggewaschen und um Mitternacht gibt es großes Feuerwerk am See. Darum auch die Stacheldrahtabsperrungen des Militärs. Happy new year Gegen Elf breche ich auf an den See. Unmengen von Menschen sind unterwegs, strömen an die Ufer, um das kommende Feuerwerk zu betrachten. Die meisten sind jung und kleiner als ich, so dass ich keine Probleme habe, mir einen geeigneten Platz in der zweiten Reihe zu sichern.
Zum zweiten Male während meiner Reise habe ich die Gelegenheit Neujahr zu feiern, diesesmal jedoch authentischer als am Strand in Myanmar. Zwar bin ich nicht von hier, es hindert jedoch keine Absperrung die Einheimischen daran, mich in ihre Mitte zu nehmen. Könnte natürlich auch daran liegen, dass ich ein Schirmträger bin, es kühl ist und feiner Nieselregen alles und jeden aufweicht. Ein paar der Jungs rücken mir ziemlich dicht auf die Pelle, nicht dass mir dadurch kuschelig warm würde, nein die sind bereits völlig durchgefroren und saugen mir förmlich die Wärme aus der Schulter.
Um 23:59 wird der Schirm eingeklappt und 00:01 beginnt das Feuerwerk. Leider sorgt das diesige Wetter dafür, dass man das ordentliche Feuerwerk in all seiner Pracht mehr erahnen als sehen kann. Vielleicht sorgt die Feuchtigkeit auch dafür, dass der Schall besser geleitet wird, doch glaube ich auch, dass hierzulande Feuerwerkskörper mit deutlich mehr Wumms eingesetzt werden als bei uns. Ab und an fallen die zerfetzten Reste der Knallkörper vom Himmel. Ich muss bei dem Gedonner der Explosionen daran denken, dass einige der älteren Bewohner sich dadurch bestimmt an den Bombenhagel erinnern werden, der sie in die Steinzeit zurückbefördern sollte.
Um 00:15 ist das Feuerwerk vorüber, es gibt nochmal Beifall und dann stürmen gefühlte Achtundzwanzig Millionen Menschen und Zehn Millionen Roller los. Und selbst bei Nacht, im Nieselregen und unübersichtlichem Gedränge auf glatter Fahrbahn finden sich Tiefflieger, die während der Fahrt unbedingt eine SMS tippen müssen. Das geht nicht immer gut… Mein Taxishuttle zum Flughafen scheint ein rares Gut zu sein, oder aber es soll die Gelegenheit genutzt werden durch weitere Passagiere – ein russisches Päarchen – ein Zusatzgeschäft zu machen – mal sehen, welchen Preis ich nachher zu berappen habe – an sich sollte es billiger für mich werden.
Vorhin habe ich online auch bereits einen weiteren Flug von Hue zurück nach Hanoi gebucht – ich erspare mir dadurch eine knapp Dreizehnstündige Zugfahrt für etwa Zwanzig Euro mehr. Ich bin allerdings zuerst grandios am supersicheren Mastercard Securecode gescheitert, für den man ein weiteres Kennwort bei Bezahlung eingeben muss. Passwort nicht akzeptiert, Karte für Onlineverwendung gesperrt – prima. Der einzige der von diesem System profitiert ist Mastercard, weil es den Missbrauch von Dritten erschwert. Für mich als Kartennutzer bedeutet es nur Zusatzaufwand oder wie in diesem Falle Probleme. Ich bin gezwungen per Skype eine (immerhin kostenlose) Nummer auf der Kreditkarte anzurufen, damit diese nach dem Wochenende reaktiviert werden kann.
Überhaupt habe ich vorhin mit Verwandten und Bekannten geskypt und es hat prima für ein paar Cent geklappt.