Lijiang, China
Die Busfahrt verlief nicht ganz wie erwartet:
Die Abholung erfolgte zwar zur gebuchten Zeit, dann wurde ich jedoch an einer anderen Herberge abgesetzt und mir mitgeteilt, dass der Bus aufgrund einer außergewöhnlich großen Gruppe bereits gefahren sei. Aha?
Mir wurden dann noch eine ganze Reihe weiterer Lügen aufgetischt, warum die angegebene Abfahrtszeit immer wieder aufs Neue verschoben wurde. Los ging es nämlich erst zwei Stunden später, in einem überfüllten lokalen Kleinbus.
Ich zweifle stark, dass dies meiner gebuchten Leistung entsprach.
(Nachtrag: Dies gab das Busunternehmen auf Nachfrage des Gasthauses wohl auch zu und wollte mir den Fahrpreis erstatten – aus Ermangelung eines PayPal Accounts habe ich nun ein kaltes Bier und den Gegenwert einer Lijiang Busfahrt in Dali gut) Im Bus sitzt auch eine Tagesausflugsgruppe junger Chinesinnen, bei Ankunft fragt mich eine von ihnen, ob ich Chinesisch könne, da ich alleine unterwegs wäre, chinesisch wäre doch immerhin hilfreich. Da werde ich dann auch schon zum Gasthaus abgeholt. Ich begegne den Damen dann noch einmal im Drachenpoolpark, und unbedingt muß man Fotos von mir und mit mir machen. Direkt nach Ankunft habe ich einen Ausflug zur Tigersprungschlucht gebucht – hoffe ich zumindestens, dass der Sechs!!seitige Vertrag in zweifacher Ausführung einen Ausflug umfasst, und ich jetzt nicht einen Kaufvertrag für ein Sortiment Chinesischer Haushaltsgeräte unterschrieben habe. Alle Seiten fein säuberlich mit Symbolen gefüllt, keine Ahnung was da steht…
Ich wurde mit einem Kichern vorgewarnt, dass auf der Rückfahrt ebenfalls Shopping stattfinden würde – eine original chinesische Kaffeefahrt steht mir demnach bevor: Fahren, kurz aussteigen und anschauen, Mittagessen schlürfen und schmatzen (inklusive) fahren, Heizdecken? kaufen und zurück. Ich bin gespannt. Wenn Dali touristisch ist, so ist Lijiang das Epizentrum – vergleichbar mit Venedig auf dem Haupttouristenpfad von der Rialtobrücke zum Markusplatz: ein Stand neben dem anderen und vor lauter Schnickschnack sieht man die Häuser nicht mehr.
Lijiang ist aber auch schön. Besonders abends, denn man hat sich mit der stimungsvollen Beleuchtung viel Mühe gegeben.
Auf der „Barstraße“ ist dann allerdings Gehörschutz angebracht, denn in einer wahnsinnigen Kakophonie versuchen sich die Bars gegenseitig zu übertönen. Naximusik gegen Reggea, gegen Techno. In den meisten Restaurantbars versuchen (indianisch anmutende) Tanzgruppen Gäste anzulocken. Und zwischen all dem fließt ungerührt ein Bach hindurch.
Ich gehe in ein ruhiger gelegenes Restaurant mit Innenhof. Die außen aufgehangenen Preise finde ich in der englischen Speisekarte um den Faktor 2 bis fünf erhöht vor, aber mein teures Essen ist sehr gut, somit beinahe preiswert. Es will und will kein warmes Wasser aus dem Han kommen, weder in Stellung Rot noch Blau – nur eisig kaltes Wasser, nicht gerade verlockend an einem Morgen, der mit niedirg einstelligen Temperaturen grüßt. Ich fluche, verliert man dabei sein Gesicht gegenüber einer Duscharmatur? So ganz erschließt sich mir das Prinzip des Gesichtsverlustes immer noch nicht, mir kommt es meistens vor, dass dies für viele Menschen hier ein überholtes Konzept ist und nicht zu befolgen; Ellenbogen, die schamlose Demonstration von Besitz und eine Geschäftstüchtigkeit, die man Gier nennen kann, DAS scheinen mir die neuen Leitbilder. Ich melde mich für ein Frühstück an und weise auf das mangelnde Warmwasser hin.
Kein Warmwasser!?!? Katastrophe! Die Chefin kommt, der Cheftechniker, Kind und Hund eilen hinterher, alle ins Bad, alle Wasserhähne aufgedreht, aufgeregte Diskussion. Ist der abgeklemmte Boiler wirklich ersetzt durch einen neuen Anschluss? Aber tatsächlich nach minutenlangem Laufenlassen und Nachjustieren mit einem Schraubendreher (woran nur??) kommt endlich warmes Wasser aus der Leitung. Gerettet. Und der kleine Hund mit den großen Augen scheint auch nicht an meine Tasche gepinkelt zu haben…
Das Pinkeln holt dann der kleine Junge im Frühstücksraum nach, praktisch so eine Hose mit Freiluftanschluss: Einfach Laufenlassen. „Your child is leaking“, mehr fällt mir nicht ein, was ich den Damen in der Küche mitteilen könnte. Es wird dann aufgewischt, oder besser verwischt und der Hund bettelt unentwegt nach Essen. Mei you. Hab nix! Den Tag über geht es ins Mu Anwesen und auf den Löwenberg, wo sich auch ein Pagodenturm befindet. Beim Verlassen des Turmes werde ich von einer Dame mit einer roten, mit chinesischen Symbolen in Schwarz bedruckten Schärpe, regelrecht genötigt damit Buddha zu huldigen. Soweit so gut. Der „Mönch“ zu dem ich (zur Signatur?) der Schärpe geführt werde, hält mir nach ein paar Worten jedoch kackfrech einen Zettel vor die Nase, auf dem bereits der Betrag steht, den ich bereit bin zu spenden! Bereit sein soll, aber nicht bin. Mit Buddhismus hat diese Form der nötigenden Spendenextraktion meiner Meinung nach nichts mehr zu tun. Bei Dali stand es mir immerhin frei zu spenden, was ich möchte – vielleicht grenzwertig, aber noch akzeptabel. Wenn mir dagegen vorgegeben wird, 100 Yuan, umgerechnet 11 Euro zu geben – für was auch immer – dann mache ich nicht mehr mit. Ich legte die Schärpe vor ihm zurück auf den Tisch, sagte Bu, Mei you (Nein, nicht wollen) und stand auf und ging. So entgleist, wie mein Gesicht wohl angesichts der Dreistigkeit bereits war, konnte ich es nicht mehr verlieren.
Draußen wurde bereits die nächste Touristin abgefangen… Den Abend ging es mit kanadischen Chinesen, oder auch chinesischen Kanadiern (wobei die Eltern wohl mittlerweile in Hongkong leben) zuerst zu einem Spezial- Duofu (Tofu) und Yak-Geschnetzeltem Essen und anschließend zu einer recht langwierigen Jasmin- und Pu-Er-Tee Verköstigung. Ganz interessant, auch wenn ich dem (auf chinesisch) Gesagten nicht viel Verständnis entgegenbringen konnte. Gekauft habe ich keinen Tee (obwohl der recht gut war), denn jeder Einkauf bedeutet Zweieinhalb Monate zusätzlichen Ballastes. Kaffeefahrt zum Tigersprung Um 8:20 sollte es losgehen. Tatsächlich kam der Bus um kurz vor Neun. Trotz des sechseitigen Vertrages hatte die hochqualifizierte Tourismusagentur es geschafft, 31 plätze eines 30sitzigen Buses zu verkaufen. Und ich dummer Deutscher war der Letze, der zustieg und dementsprechend für die Businsassen der Quell allen Übels.
Es wurde losgefahren (50m weit), gestoppt und gezählt und telefoniert (Busbegleitung UND Fahrer), lautstark gezetert, die abgehakte Liste der Passagiere nochmals durchgegangen (könnte sich ja jemand eingeschlichen haben), nach Freiwilligen zum Aussteigen gesucht (Niemand), dann eine Umfrage gestartet (ich glaube, es ging darum mich hinauszuwerfen, oder zu erschlagen, um das Problem zu lösen, wobei mich vielleicht mein Sechsseitenvertrag davor bewahrt hat) und letztendlich durfte ich auf dem Notsitz der Busbegleitung Platz nehmen und wir fuhren los. Bis zum ersten Klostopp nach fünfzehn Minuten.
Dort durfte ich in einen anderen Bus, größer, neuer und mit freien Plätzen des selben Unternehmens umsteigen. Warum nicht gleich so?
Hier sei aber bereits erwähnt, dass dieser Bus den Nachteil hatte, NICHT wieder zum Ausgangsort zurückzukehren, sondern einen Kilometer nördlich der Altstadt hielt. („Achja, typisch chinesischer Service“ – O-Ton englischsprachiger Mitreisender)
Am dritten Stop hieß es dann raus aus dem Bus und rein in die Boote. Boote?
Von Schlauchbooten war doch nie die Rede gewesen, und umsonst wäre die Tour auch nicht, sondern schlappe 140 statt 168 Yuan (Ein Schnäppchen!!), wobei die gesamte Bustour 100 Yuan gekostet hat…
Ich also sage: Nix Boot! Und nehme auch die als wer weiß wie schlimm vorgetragene Busfahrt mit riiiiiiiiiiesen Umweg (aber umsonst :-)) in Kauf, wie auch einige andere Chinesen, mit derem Argument „tai gui“ (zu teuer) ich vollkomen d’accord gehe.
Erneuter Stop kurze Zeit später, um die Boatpeople wieder einzusammeln. Unterhaltung bei Erdbeeren mit einem Taiwanesisch-Dänischen Paar. Von einer Bootsfahrt durch eine Schlucht kann keine Rede sein, ich bin heilfroh den Bus statt dem Boot genommen zu haben, mit Aussicht auf den Fluß.
Dann geht es zum Mittagstisch, original Gruppenchinesisch. Kein Highlight, aber akzeptabel.
Und schließlich, Ankunft um Zwei, an der Tigersprungschlucht, doch nur am oberen Teil, denn aufgrund von Strassenreparaturarbeiten sind die weiteren Abschnitte mit dem Bus momentan nicht zu erreichen.
Der Rikschaträgertauglich ausgebaute Weg führt dicht am Wasser, inmitten der Steilwände entlang und es wurden einige Tunnel tief durch die Felsen getrieben, da überhängendes Gestein in der Schlucht den unbändigen Drang hat, der Schwerkraft zu folgen und zu offensichtlichen (tonnenschweren) Problemen führte…
Es ist gerade genug Zeit für eine Wanderung (Spaziergang), bis es nicht mehr weiter geht und zurück, immer einen skeptischen Blick nach oben, auf die bedenklich lose erscheinenden Felsbrocken, dann ab in den Bus und am Rande von Lijiang in eine riesige Jade-Verkaufshalle: Shopping.
Mir erscheint es absurd, das Leute in einem solchen Tempel des Kommerzes Geldscheine in einen Glaskasten werfen, in dem zum Kauf angebotene Buddhafiguren aus Jade ausgestellt sind, aber wahrscheinlich fehlt mir dafür die nötige Sozialsierung. Deutlich genervt von der Rückfahrt, und ihrem abrupt zu frühen Ende, heitert mich die herzlich lachende Gasthausbetreiberin wieder auf und ich begebe mich in ihr Restaurant zum Abendessen, auch weil das Yak am Vortag war sehr lecker war.
Ich bestelle Naxi style Vegetables und bekomme einen riesgen Topf mit Gemüse und vereinzelten Trockenfleischstücken darin serviert. Sehr lecker, aber zuviel für eine Person. Aber nach guter chinesischer Manier esse ich soviel ich kann.