Terrakottakrieger

Xi’an, China

Der Flughafen von Nanjing liegt mehr als 40km außerhalb, um zwei Drittel günstiger wäre es gewesen, mit dem Taxi zur Shuttlebusstation und von dort mit dem Bus zu fahren. So kassiert der Taxifahrer für eine – wie üblich – wenig überzeugende Fahrvorstellung 150RMB.
In Xi’an erwarten mich beim Anflug endlose grüne Felder (ich hatte nur stauibige Steppe im Sinn) und dort ignoriere ich alle Taxinepper, bis auf einen: zu dem sage ich „Dream on“, und steige in den Shuttlebus vor der Tür. 35km sind es laut GPS und 10Minuten rollere ich meine Reisetasche die Straße entlang und ich bin in meiner Unterkunft.
Schluchz. Das erste Zimmer, das man mir gibt ist ein Kellerloch. Sicher man hat es schön eingerichtet, und wäre vermutlich nicht so schlimm gewesen, wäre da dieser Gestank nicht gewesen. Einmal Kleidung wechseln (schwere Flieger- gegen leichte Hallowarmklamotten) und ab an die Rezeption: „My room smells“. Zur Strafe muß ich mein Gepäck Drei Stockwerke hochschleppen und habe nun ein Zimmer, dass sich als Moskitobrutstätte erweist. Leichenberge kleben bereits an den Wänden und auch ich muss völlig unbuddhistisch mehrere von den Viecher in den Leidenskreislauf zurückschicken, um nicht zerstochen und verseucht zu werden. Fürs Internet muß ich mich ins Erdgeschoß zu Cafe oder Bar begeben.
Ich buche abends noch das volle Ost- und Westtourprogramm zu den Tonsoldaten und diversen Gräbern, nachdem ich mich online über die Preise informiert habe. Für knapp Siebzig Euro habe ich jetzt ein wenig das Gefühl, zwei Tage mit Kaffeefahrten zu verbringen. Wenigstens muss ich so nicht nach den günstigeren Transportgelegenheiten und Ortschaften suchen und finden – ich kann mich zurücklehnen und die Tourorganisation machen lassen; kann die Ohren zusteckern und Musik hören und statt Shopping-, Lesepausen nehmen.
Eine Runde durch die Stadt führt mich durch ein wahres Glanz und Glamour Shoppingparadies und eine große Anzahl von Clubs und Bars, ja einen ganzen Straßenzug voll davon befindet sich keine hundert Meter von meiner Unterkunft entfernt. Mit Livemusik – was diese nicht immer besser macht. Insgesamt macht die erleuchtete Innenstadt einen stimmungsvollen Eindruck und gefällt mir. Im Osten das alte Leid Die Tour gen Osten kann ich nur als seltsam bis bereuenswert bezeichnen.
Erstaunlich war, dass sie überhaupt stattfand, da es nur zwei
Teilnehmer gab. Das heißt, die Französin hatte die billigere Tour, ohne
die heißen Quellen gebucht – für 75RMB weniger. Clever wie man ist, deklariert man nach dem Mittagessen die heißen
Quellen aufgrund eines VIP Besuchs als nicht besuchbar. Aha. Aber natürlich würde ich mein Geld zurückbekommen. Bekam ich dann auch:
50. Oho. Ich stelle dem netten Fräulein gegenüber höflich fest, dass ich doch
wohl mindestens 75 zurückbekommen würde. Bei der Gelegenheit erwähne ich
auch, dass wir ebenfalls nicht das Grabmal, sondern nur das billigere
Museum aufgesucht haben – und wenig später ist der VIP Besuch
verschwunden…na so etwas. Das ist wieder einer der Momente, wo ich
mich frage, ob sich solch verlogenes Pack einredet, NICHT das Gesicht zu
verlieren? Die 70RMB Eintritt waren die heißen Quellen definitiv nicht wert, aber
die Hauptsache war, dass sich solches Volk nicht über alle Maßen
vertragswidrig bereichert. Glücklich waren sie nicht, und den
Reiseverkäufern an der Rezeption dieser Absteige habe ich dennoch
Feedback gegeben, was ich von der Tour hielt und dass sie sich glücklich
schätzen können, dass ich die Westtour gestern bereits gebucht hätte… Ob ich deswegen auch glücklich schätzen kann? Ich kann jedem nur empfehlen, den Bus 306 auf eigene Faust zu nehmen, für 7RMB und die 90RMB Eintritt für die Terracottakrieger zu zahlen und den Rest auszulassen. Banpu Museum besteht aus einer Mischung neolithischem Drecks und Betonreplika einer Nudistenhüttenfantasie – wer kommt auf die seltsame Idee, dass in der Steinzeit die Menschen barbusige Betonfrauen auf ihren Dächern angebracht haben könnten? Kontrastierte ganz nett mit ein paar hübschen bunten Blümchen davor.
Das Grabmalmuseum – ein Witz, eine durch miserables Pappmache-Ambiente Durchschiebeangelenheit…
Zwar musste ich mir nicht den Transport organisieren, dafür aber die Kommissionsorientierung (Shopping, Essen) ertragen. Definitiv der Flop des Monats – es sei denn die Tour morgen toppt dies noch – die ist jedenfalls eine typische chinesische Pauschtouristentour, die per se so grottig ist, dass es bereits wieder Spaß machen könnte. Verstehen werde ich Mister Wimpelschwenker mit seinem Trötophon sowieso nicht (auf chinesisch) und das ist gut so.
Immerhin liegt der Famen Tempel knapp 120km entfernt und für eine Person wäre ich kaum in der Lage den Transport günstiger auf eigene Faust zu organisieren – solange nicht plötzlich ein VIP aus der Tasche gezaubert wird… Auch im Westen nichts Neues? Stimmt so nicht ganz, denn es gibt eine alte Siedlung, die mit Pappmachee und viel liebevollem Arrangement von Püppchen (und einem lebendigen Schwarzbären) in einen Themenpark verwandelt wurde. Da ich kein Wort des chinesichen Plastikmegaphongekrächzes unseres Tourguide verstehe, bleibt mir die langwierige Erläuterung der Geschichte der (chinesichen) Menschheit (zum Glück) erspart und ich konnte mich von der Gruppe absetzen. Dies ist an jedem Stop der Fall, ich bekomme die Abfahrstzeit des Buses mitgeteilt und dann lasse ich die Störschallquelle hinter mir und kann mich auf eigene Faust umschauen. Herrlich!
Und dabei fing die Tour nicht allzu vielversprechend an: zuerst fast eine Stunde Verzögerung, bis sich der Bus in Bewegung setzt und dann Beschallung bis an die Schmerzgrenze. Ich musste mir meine Kopfhörer einstecken, um nicht durch den Endlosmonolog des Tourguides im Bus zu ertauben. Wie es Zweidrittel der Busbesatzung schaffen, diese Gelegenheit zu nutzen, um ein Schläfchen zu halten, macht mich ratlos.
Ich hoffte nur, dass unser Busfahrer nicht auch zum Einschlafen in den ungeeignetsten Momenten (während der Fahrt) ein Nickerchen macht.
An einem Kaisergrab war Mittagspause angesagt. Ich verzehrte draußen im Schatten mein eigenes Lunchpaket statt des überteuerten Essens dort. Vom Kaisergrab war nicht sehr viel zu sehen: vier imposante Steinklötze und ein Weg mit Wächterfiguren dazwischen – kein Abtauchen in eine Grabkammer wie beim Prinzessinnengrab kurz zuvor. (Wobei es allerdings auch nicht viel zu sehen gab) Immerhin ein netter Spaziergang, halb den Grabhügel hinauf mit tollem Ausblick in die gründe Landschaft. Das Highlight kam am Ende: Famen Si, ein alter und neuer Tempel mit einer Fingerknochenrelique Buddhas.(Auch die Überreste dieses guten Menschen wurden vor Zeiten weit gestreut)
Besonders hieran ist, dass beim Wiederaufbau der, in den Achtzigern eingestürzten, Pagode darunter eine geheime Kammer mit der Relique und Tausenden von Schätzen gefunden wurde. Leider konnte ich eine erwähnte gelbe oströmische Glasflasche nicht in der Ausstellung entdecken, denn die über zwölfhundert Jahre alten, blauen Glasteller waren beeindruckend hübsch. Gleiches gilt natürlich auch für die Vielzahl an goldenen Kistchen, Schalen und Figuren. Auch die verzierten Eingangstüren waren sehr kunstvoll. Insgesamt ein schönes Museum, mit toller Ausstellung und ohne plärrenden Tourguide. Erhalten blieben diese Schätze unter anderem deshalb, weil sich ein Mönch zur Zeit der Kulturrevolution zum Schutze der Kammer selbst verbrannte. Solche wehmü ;tigen Hinweise darauf, welche riesigen Verluste die heutzutage wieder hochgelobte chinesische Kultur während dieser Zeit erlitt, finden sich ab und an, aber nur wenn man sich die Mühe macht und genau hinschaut.
Etwas, das nicht gerade die Stärke der Trötophontouren ist – schallschnell sausten die durchs Museum.
Unter der Pagode wurde ein goldvertäfelter Tresorraum angelegt, erinnerte mich sehr an Myanmar. Und dann gibt es dort auch noch den neuen Tempel. Mit einer breiten Zufahrt aus Beton, von der ich glaube, dass es in Wirklichkeit eine Landebahn für Jets ist. Immerhin knapp zwei Kilometer lang, so dass auch ein Shuttleservice mit Bimmelzügen angeboten wird.(Kostet 20RMB extra)
Als puristischer Hobbypilger gehe ich natürlich stilgerecht zu Fuß und nehme nicht den Aufzug. Denn nur wenn man sich die Ausmaße dieser ganzen Angelegenheit erläuft, bekommt man ein Gefühl dafür. Immerhin gilt es neun Etagen des Sockels auf Treppen emporzusteigen, um dann vor der Thrombenförmigen Spitze zu stehen, die in Form des Weltkulturerbezeichens gestaltet ist. (Bodenplatte nicht mitgerechnet!)
Darin ein Dreistöckiger Buddha und darüber nochmal ein kleiner Tempel, den ich aber nicht besichtigen konnte.
Für die ganze Tempelanlage wurden Unmengen an Beton und Granit bewegt, alles ist riesig und bombastisch. (Und doch mit erkennbarren Verarbeitungsmängeln im Detail – Pfusch am Tempelbau!)
Ich frage mich, inwiefern Gigantismus besser mit dem buddhistischen Gedanken vereinbar ist, als ein kleiner stiller Schrein… Summa summarum: für 300RMB ein lohnenswerter Ganztagesausflug, für den man Oropax und gute Musik mitnehmen sollte und dadurch den chinesischen Guide ignorieren kann. Aufgrund der Entfernung, Mautgebühren und Eintrittspreisen (Famen Si:120RMB) auf eigene Faust ohne Gruppe nicht einfacher und keinesfalls günstiger zu besuchen. Wenn Umsonst Vergebens ist Heute sollte mein musealer Tag in Xi’an werden. Ich startete recht spät in einen bewölkten, aber zunehmend wärmer werdenden Tag zu Fuß gen Süden.
Nach ein paar Kilometern erreichte ich unerwartet ein Shaanxi Provinz Kunst Museum. Für 10RMB Eintritt gab es dann auch tatsächlich eine Ausstellung eines wohl bekannten, derzeit verstorbenen Malers zu besichtigen. Den Namen, wie auch die Titel der Bilder konnte ich nicht entziffern, da alles in Hanzi gezeichnet wurde. Malen konnte er jedenfalls.
Insgesamt besaß das Museum jedoch mehr Überwachungskameras als Ausstellungstücke – auch ein Kunstwerk.
Besuchen wollte ich das Shaanxi Geschichtsmuseum, nach dem Erlebnis von großartigen, wenngleich lautstark beschallten Wasserspielen erreichte ich es auch.
Dort gab es eine lange Schlange am Ticketschalter. Deren gab es fünf, doch nur einer war besetzt. Die Tickets gab es umsonst. Da könnte man meinen, wenn man trotzdem unbedingt Tickets ausgeben muss, sollte dies schnell gehen, dann ist man noch nicht in China gewesen. Oder noch nicht lange und abgeklärt genug.
Nein, es möge doch bitte jeder Chinese seinen ID-Karte vorzeigen und sich dann auch noch in eine Liste eintragen – will da jemand Buch darüber führen, welches die Geschichtsinteressierten Bürger sind, oder soll dem Schwarzhandel Einhalt geboten werden?
Die bunt bedruckten Gratiskarten werden alle schön ausgedruckt und dann am Eingang gelocht.
Angesichts der Länge der Menschenschlange (ca 150m) und der Bearbeitungsgeschwindigkeit der Schalterbürokratin ( 1,3 Personen/Minute) kam ich auf eine gerechnete Wartezeit in brütender Hitze von ca. zwei Stunden. Umsonst war also vergeblich. Ich ging dann lieber ein Eis essen und setzte mich später in einen Park.
Eine solche Bürokratieorgie mit Lochen, Stempeln, Ausfüllen in dreifacher Ausführung mitzuerleben, die jeglichen Betrieb verhindert, kann wütend machen und zugleich froh, dass man sich noch nicht daran gewöhnt hat, und solche Absurditäten kommentarlos als „Normal“ akzeptiert.