Karstiges am Li-Fluß

Guilin, China

Zwei Flüge mit Zwischenstop in Chongqing bringen mich mit einigen Luftlöchern (Hui!!) aber ansonsten ohne Probleme zum Flughafen von Guilin. Als Reiselektüre dient mir Aldous Huxleys Klassiker „Brave new world“ – 1932 erschienen, aber von zum Teil bestechender Ähnlichkeit mit der modernen Konsumgesellschaft.
Der Shuttlebus vom Flughafen in die Stadt ist leer, und vorerst keine weiteren Passagiere in Sicht, da heißt es warten, bis genügend Leute zusammenkommen (vielleicht der nächste Flug?) oder das Taxi nehmen.
Ich nehme das Taxi, auch wenn dies erneute Auslieferung an die Taxi-Mafia bedeutet, denn Zack wird das Taxameter ausgestellt. 100 Yuan. Ich habe es versäumt mich im Vorfeld zu informieren wie weit es denn vom Flughafen in die Stadt ist (29km), daher weiß ich nicht, ob es kontraproduktiv wäre auf dem Einschalten zu bestehen. Angesichts des Taxitraifs hier (7 Yuan für die ersten drei, danch 1.6 Yuan pro Kilometer) hätte die Taxifahrt an sich nur die Hälfte kosten dürfen. An einer Mautstelle will die Fahrerin zusätzlich die Mautgebühr von vier Yuan von mir, doch ich stelle mich unverständig, denn was zuviel ist, ist zuviel. Für die Rückfahrt in drei Tagen kann ich mir noch überlegen, das Abenteuer Taxi erneut zu wagen, oder den Transferdienst der Herberge (90) in Anspruch zu nehmen.
Eine erste Recherche über Bootsfahrten auf dem Li-Fluß ergibt ein gesalzenes Preisniveau von 30 bis 40 Euro Minimum, je nachdem ob Chinesische oder Fremdländer Tour. Meine Unterkunft hier ist ganz passabel, mit LAN Anschluß statt Wifi. Ein erster kurzer Ausflug in die lokale Gastronomie führt mich ins 小南国 Restaurant – frei übersetzt Kleines Südland.
Beim Betreten spricht mich ein englisches Paar an: „You want to eat here? It has been the worst food so far in China – but maybe you like it…“
Uh-Oh. Umkehren und etwas anderes suchen? Ach, Feigheit vor dem gastronomischen Feind ist nicht gestattet, und vielleicht sollte man ein Sechuan Huhn auch nur in der Provinz Sechuan bestellen – wer in Thailand „typisch Deutsche Küche“ ordert, wird höchstwahrscheinlich ebenfalls überrascht sein… Auf dem englischen Menü gibt es nur wenige Gerichte und ich verweigere mich dem hartnäckigen Tippen der Bedienung auf gebratenes Rindersteak – ich bestelle local food : Lijiang Fisch im Bambusnetz. Stelle mir dabei lecker gebratene Bambusstreifen mit Fischstücken darauf vor, doch die Realität sieht anders aus (siehe Bild): ein Haufen kleiner frittierter Fische.
Urggh – kann man die Essen? Mit Kopf, Gräten und Schuppen? Doch lieber Zahlen und Gehen?
Wenigstens Probieren!
Und in der Tat, die Innereien wurden herausgenommen und die Fischliche Konsistenz ist der von Ölsardinen (die ja auch komplett in der Dose stecken) äußerst ähnlich. Bis auf die Heckflossen esse ich fein säuberlich auf, denn die Fischlein schmecken. Ein wenig Gemüse vermisse ich zwar, aber ich habe die Speisekarte fotographiert und versuche mich an der Identifizierung ei***** Gerichte im Hotel. Für den nächsten Besuch. Bei diesem nächsten besuch konnte ich zwar identfizieren, dass das Gericht aus Zwiebeln und Pilzen besteht, dass das Ganze jedoch ein höllisch scharfer klater Salat und nicht angeschmort sein würde, DAS hat sich mir nicht erschlossen. Vielleicht hat die Bedienung auch nur meinen Wunsch nach Reis falsch verstanden und als „nichtkochen“ ausgelegt. Everything is possible. Ohne einen robusten Magen, ist das gericht nicht zu empfehlen, mit 15 Yuan zwar noch günstig, aber kein kulinarisches Erlebnis. Ein Ausflug in den SiebenSterne Park in Guilin bei sonnigem Wetter ist nett. Als ich mich am späten Nachmittag zur Buchlektüre hingesetzt habe, dauert es nicht lange, bis mich ein Student der „Energy and Technology“ oder „Imaging technology“, so genau ließ sich dies nicht ermitteln, als Englischtrainingsobjekt erwählt. Und mich noch eine ganze Weile begleitet, da er nichts anderes zu tun hätte. Für Studenten ist der Eintritt in die Parks übrigens deutlich preisgünstiger: Per Rabattkarte kostet der Besuch Einen Yuan, wofür ich Fünfunddreißig bis Fünfzig bezahlen muß. Die Wege des Wassers sind unergründlich Am morgen bringe ich einen Beutel mit Wäsche für den Laundryservice an die Rezeption. 20 Yuan soll es pro Beutel (= kleine Waschmaschinenladung) kosten und man bekommt die Wäsche anschließend trocken zurück.
Dass ich der jungen Dame dann ins Nebengebäude in den Keller folgen soll, um dort meinen Beutel selber in eine Waschmaschine zu entleeren, und sie etwas Waschpulver draufschüttet, kann ich ja noch verstehen – schmutzige Wäsche anderer Leute anzufassen ist nicht jedermanns Sache.
Mit dem Einschalten der Waschmaschine wird es schon schwieriger, aber zu ihrem Glück startet diese nach Betätigen des „An“ Schalters. Ich frage mich nur, auf welche Temperatur dieser Toplader in Amerikanischer Waschhallenbauweise arbeitet, aber eine mittlere Leuchte mit einem langärmeligen Symbol wird so schlecht hoffentlich nicht sein.
Als ich dann abends nach meiner Bootstour ins Gasthaus zurückkehre, schaut man mich aus großen Augen an, als ich verweile, nachdem ich kurz zum Ausflug gefragt wurde: „Any questions?“ „My laundry?“
Ich möge doch bitte wieder mit ins Nebenhaus folgen. Das lässt mich nun doch an der Servicequalität zweifeln. Wieso muß ich denn noch mal meiner Wäsche hinterherlaufen? Es geht doch nicht etwa…?
Doch es geht zur Waschmaschine und dort liegt meine Wäsche, seit morgens nass in der Trommel. Herr schmeiß Hirn vom Himmel!
Mir entgleist meine Gesichtsmimik völlig und stelle lautstark fest, dass dies doch wohl nicht wahr sein dürfe. Ich hätte doch extra gefragt, ob die Wäsche auch getrocknet wird, und nun das! Zwanzig Yuan für einmal Waschmaschine anschalten wäre doch wohl leicht unrealistisch. Was ich denn auf meinem Zimmer nun mit der patschnassen Wäsche anfangen solle? Trockengelegenheiten gibt es dort keine. Hmm?
Die Kollegin muss zur Hilfe kommen, ich habe den Eindruck DER ist klar, dass Wäsche klatschnass zurückzugeben keine Option ist, andererseits ist es das Problem der Kollegin. Wie schön! Dezente Zurückhaltung.
„I will dry it for you“ sagt dann meine Waschfee Nummer Eins, sagt „One hour“ und sucht an der Waschmaschine den Knopf zum Trocknen.
„I don’t think that this washing machine can dry…“, wende ich ein.
„Oh yes it can, but I don’t know how to use – and you also don’t?!“ Stimmt wohl, ich kann die Symbole der Tasten nicht entziffern, aber ich erkenne die praktische Unmöglichkeit in diesem Toplader zu trocknen. Wenn man einen großen Gasbrenner unter dem Trog montieren würde könnte man darin veraschen, aber sicher nicht zerstörungsfrei Wäschetrocknen.
„I will call my boss, how to handle the machine“
Tu das, die Wäsche trocken zu bekommen ist dein Problem.
Immerhin will ich erst den nächsten Tag nach meiner Wäsche fragen, also kein Grund zur Panik.
Das Gespräch mit dem Boss scheint nicht so gut zu verlaufen – ihr Gesicht und Stimme am Telefon sprechen Bände – aber wer möchte auch schon gerne abends von personifizierter Ahnungslosigkeit angerufen und Dinge gefragt werden, die einem der gesunde Menschverstand sagen müsste?
Einige Zeit später gehe ich zur Rezeption hinunter, um nach einem frischen Handtuch zu fragen, denn in diesem Hostel ist man der Meinung, Handtücher wären disposals und gäbe es nur auf Nachfrage, andererseits entfernt man diese jedoch und tauscht dafür angefangene Seifenstücke und Klopapierrollen durch neue aus. Aus Umweltschutzgründen, so heisst es. Ich versteh e die Logik nicht.
Ich nehme schweigend zur Kenntnis, dass meine Wäsche nun dort im Beutel hinter der Theke steht. Ich will es besser gar nicht wissen, wie das Fräulein gedenkt, die Wäsche trocknen zu lassen. Ich bin gespannt darauf, ob, wann und wie ich meine Wäsche wiedersehen werde… Solche Erlebnisse lassen mich hier immer wieder am gesunden Menschenverstand zweifeln.
Während der Bootstour versucht man Instantkaffee zu verkaufen, in dem man mit Pappbechern, Heißwasserthermoskanne und Nescafetütchen (20 Stück zu 12 Yuan im Supermarkt) herumläuft und dafür dann tatsächlich 20 Yuan, also mehr als Zwei Euro pro Aufguss verlangt! Kein Wunder, dass niemand einen Kaffee nimmt.
Man versucht Fotobücher für 150 Yuan zu verkaufen, die einem am Pier für lediglich 10 angenötigt werden. Fantasiepreise allerorten und es scheint nur einige wenige erkennen das Problem dabei. Das sind die Flexiblen, die reich geworden sind und es verstehen die verbreitete Lemmingmentalität zu ihren Gunsten zu nutzen. Die Bootsfahrt auf dem Li-Fluss ist schön, die karstige Landschaft mit ihren vielen Hügeln faszinierend, auch dass einige der großen Boote quasi im Konvoi fahren, mindert den Eindruck nicht wesentlich. Unser Boot wird von allen überholt, der Kapitän mag es anscheinend ruhiger. Das Wetter ist allerdings nicht so sonnig und wolkenfrei, wie den Tag zuvor, es zieht sich zusehends zu und bettet die Hügel in zarten Dunst.
Natürlich ist es so, dass das Essen gerade dann serviert wird, als das Schiff eine der schönsten Stellen erreicht. Wie sollte es auch anders sein. Es ist beinahe so, als wolle man sich das Geschäft mit den Postkarten und Bildbänden nicht verderben. Ich sitze am Fenster und versuche ein Vergleichsfoto zu der Abbildung der Landschaft auf der Zwanzigyuannote zu machen – nicht ganz gelungen.
Ob die ebenfalls vielfach angebotenen Touren auf kleineren Bambusbooten besser sind, ist wahrscheinlich Glückssache, je nachdem, an wen man gerät. So einige, die mich trickreich hier in der Stadt ansprachen, erschienen mir alles andere als seriös.
Immerhin 380 Yuan kostete der Ausflug, war dafür aber gut organisiert und auch die im Preis enthaltene Verpflegung an Bord war gut. An der Stadt Yangshuo muss die Umgebung schön sein, denn der Ort selber ist es nicht, er dröhnt lautstark marktschreierisch und ist ein einziger Spießrutenlauf zwischen Neppern, Schleppern und Taschendieben hindurch. Wie weit muss man sich mit dem Leihfahhrad durch den Verkehr kämpfen, bis man die Landschaft genießen kann? Ich bereue jedenfalls nicht, hier nicht zu übernachten.
Bananenkauf: Drei Yuan pro jin (Pfund) scheint mir OK der Preis. Verkäufer nimmt drei Bananen legt diese auf die Waage, die zeigt 500Gramm an, verlangt Vier Yuan. Huch? Es folgt ein Wortbrockenscharmützel: Nih schwo ih dschin ssann kweih – buh sse kweih! Sse kweih, dwo dschin! Bu dwo!
Energisches Deuten auf die Waage, erneutes Auflegen der Bananen, diese zeigt 510 Gramm, mit Tüte an. Ha! Von wegen mehr als ein Pfund, für weniger als 10 Gramm Banane gibt es keinen ganzen Yuan, nicht von mir!
Die Marktfrauen von den Nachbarständen lachen: fremdes Weißbrot hat sich erfolgreich der Übervorteilung entzogen. Aber es ist mühselig.
Einerseits muss man oft um den Preis feilschen, dann aber auch noch die Ware, die Ermittelung und Berechnung des Betrages kontrollieren und dann auch noch das Wechselgeld kontrollieren, damit man sich nicht Falschgeld einfängt.
Die Alternative wäre völlig schmerzfrei jeden verlangten Preis bezahlen, damit allerdings den unlauteren Wettbewerb zu fördern. UFO im Dunst Mein letzter Tag in Guilin führt mich an, aber nicht in den Prinzessinnenpalast – mir sehen auf einem Luftbild die Gebäude alle viel zu modern aus, und ein Hügel innerhalb der Mauern erscheint mir keine 70 Yuan Eintritt wert. Mittags habe ich vor einem kleinen Restaurant gegessen – viele Passanten schauen oder besser: starren mich immer wieder irrititiert an, Ich scheine ein Unidentifizierbares Futterndes Objekt zu sein. Auch heute bin ich wieder mehrfach fotografiert worden und immer wieder sagt jemand Hallo. Kann vielleicht daran liegen, dass ich mich permanent dort herumtreibe, wo sich ansonsten keine Westtouristen herumtummeln.
Meine Wäsche hat tatsächlich wieder zu mir gefunden: extra dry und free of charge, dafür auch ziemlich zerknittert. Für morgen früh habe ich mich entschlossen den Transportservice des Hostels zum Flughafen zu nehmen, anstatt die Preisgestaltung eines lokalen Taxis nochmals anzutesten.
Back to school!