Vom Scheitern und Kulturellem

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Shanghai, Shanghai, China
Sunday, April 18, 2010

Oh dieser Bahnhof!
Wenn es einen Ort des Grauens hier in China gibt, an dem mir die negativen Schwingungen nur so um die Ohren schlagen, dann ist es der Bahnhof Mitte in Shanghai.
Warum um Gottes Willen war ich denn schon wieder dort, könnte man sich fragen, habe ich mich auch gefragt, es war fraglich, es war Fügung.
Bis nachmittag hatte man noch schönes Wetter angesagt und da dachte ich mir, "Raus ins Freie!", ab in den Lu Xun Park am Hangkou Stadium. Und dorthin ging es mit der Metro über diesen verflixten Bahnhof.
(Es gibt allerdings auch eine neuere Metrolinie, die Linie 8, die in meinem Plan von 2007 noch nicht verzeichnet war und auf direktem Wege vom People's Square dorthin fährt.
Zu spät gemerkt, ich stand bereits im Zug der Linie 1.)
Am Bahnhof musste ich die U-Bahnstation verlassen, da es keinen Transit zur Linie 3 gab. Ergo: Neu bezahlen :-(
Die lange U-Bahnpassage hat man mit Schildern vollgepflastert, dass man weder Radfahren, Spucken, Rauchen, oder etc. etc. dürfte - und auch nicht Stehenbleiben! Dumm nur, dass sich an beiden Seiten unzählige Shops befinden, wie soll man denn dort etwas kaufen, ohne anzuhalten???

Bei der Gelegenheit, am Bahnhof aussteigen zu müssen, dachte ich mir, kaufe ich mir ein noch fehlendes Zugticket. Zack an den Automaten, Suzhou-Hangzhou, Datum eingetippt, Hää?
Erster Tag des Vorverkaufs und bereits alle Züge ausverkauft? Ach nein, da gibt es noch Hardbed auszuwählen. Bei der Auswahl erschien dann allerdings auch wieder ausverkauft.
Ich habs dann an weiteren Automaten und ebenfalls in chinesischer Sprache versucht: der Zug wird als verfügbar angezeigt, aber man kann ihn nicht auswählen.
Schluck, was nun? Bin ich nun hier in China gestrandet, außerstande meine gebuchte Unterkunft zu erreichen??
Versucht mal in Shanghai am Bahnhof den Ticketverkauf zu finden, oder einen der vielen Offiziellen zu fragen! Die zeigen natürlich von sich weg, aber das war es dann auch schon. Touristeninformationen gibt es zwei, doch eine unbesetzter als die Andere.
Nach einer halben Bahnhofsumrundung, endlich den Ticketverkauf gefunden (außerhalb des Bahnhofes über die Straße hinüber) dort am Schalter kommt mein Zettel mit allen notwendigen Informationen zum Einsatz, führt aber nur dazu, dass ich des Schalters verwiesen werde: 'Andere zehn Schalter'.
An einem anderen Schalter weist man mich erneut ab, allerdings zu Schalter 10, dort spräche man Englisch.
An diesem tollen Schalter Nummer 10 prangt dann ein 'English speaking' Schild und eine Kundenzufriedenheitsplakette. Die Frau hinter der Scheibe zeichnet jedenfalls nicht für die Verleihung verantwortlich, denn bereits für mein 'Ni Hao' ernte ich ein grimmiges Grummeln.
Ich versuche mein Ticketanliegen auf Chinesisch vorzutragen und die Frau hat es auch verstanden, aber bemüht sich dann nicht weiter, sonden pflaumt mich an, Tickets für den 27. könnte ich erst ab dem 22. kaufen.
Das ist jetzt wieder neu für mich, besonders, da der Automat Zehn Tage im Voraus die Auswahl ermöglicht und ich mein Ticket nach Suzhou auch mehr als sechs Tage im Voraus gekauft habe. Ich habe den Eindruck, sie wollte mir kein Ticket verkaufen. Ich werde es also in vier Tagen nochmals versuchen, ansonsten muss ich halt versuchen einen Bus zu nehmen.

Dann versuche ich die U-Bahn Linie 3 zu meinem heutigen Ziel zu nehmen, an der Gepäckdurchleuchtung wird wieder einmal die Hälfte der Personen von Gelbarmbandigen Hilfskräften durchgewunken, ich dagegen muss mich halb mit einer Chinesin prügeln, die unbedingt ihre Tüte noch vor meinem Rucksack auf das Laufband legen will und mich wegschieben möchte. Sie rempelt und rempelt und dann wird sie mitsamt ihrer Tüte von einem anderen Gelbarmband am Apparat vorbei gewiesen. Ich sage ihr auf gutdeutsch: "Sie sind eine sehr unhöfliche Person"
Das versteht sie nicht, antwortet nichts, aber ich denke sie hat verstanden, dass ihre - völlig sinnfreie - Rempelei unangemessen war.
Dafür steige ich dann in den falschen Zug. Vielleicht hat die Frau mich auch im Stillen verdammt, wer weiß das schon? Schutzengelchen und Fatimas Auge sind hier manchmal arg unter Beschuss, habe ich den Eindruck. Aber zum Glück nur manchmal, die allerallermeisten Chinesen sind nett und hilfsbereit. Ist halt nur so, dass selbst die Anteilsmäßig wenigen schwarzen Schafe, absolut betrachtet, ziemlich viele sind...

Mir fällt es im Zug vor dem nächsten Halt auf, dass ich mich in Linie 4 und nicht Linie 3 befinde, weil ich die Station Hangkou Stadium nicht auf dem Streckenplan finden kann. Beide Linien fahren einige Stationen auf dem selben Gleis, deshalb muß man auf den farbigen Streifen (gelb oder lila) an der Seite, oder die Wagennummer achten. Wieder etwas gelernt.
Aussteigen, nächsten (gelbgestreiften) Zug abwarten, einsteigen, Streckenplan erneut studieren:
Ah, Hangkou Stadium!
Oh, falsche Richtung.
Also die Nächste erneut Aussteigen, Treppe ab und Treppe auf und wieder einsteigen - dabei habe ich auch gut auf den korrekt kolorierten Streifen geachtet. Es geht erneut am Bahnhof vorbei und einige Stationen später steige ich an meinem Ziel aus.

Am Park waren Zaunfetischisten am Werk, Zäunchen, um genau zu sein, mit "Soll-Drüberkletter-Stellen" so scheint es, denn man hat sogar einen Weg zwischen zwei unsinnigen Zäunen, die den Eingang behindern angelegt und die Spitzen des Zäunchens ordnungsgemäß umgebogen, damit die Leute sich nicht die Hosen aufreißen. Auf die Idee, einen Zaun nur dort hinzusetzen, wo er auch Sinn macht, scheint keiner gekommen zu sein.
Ich finde einen Eingang ohne zu Klettern und stehe einige Minuten später vor einem Lu Xun Museum, ohne recht zu wissen, was es mit dem Menschen auf sich hatte.
Da der Eintritt frei ist (aber man dennoch ein kostenloses Ticket am Schalter holen muss) bin ich bereit es herauszufinden. Beim Betreten der Ausstellung stürzt sich ein 'Volunteer' auf mich, der mir die Ausstellung auf Englisch erläutern möchte. Wenn Menschen Gutes tun wollen, soll man sie nicht zurückweisen, denke ich mir, obwohl ich Schlimmes befürchte und in der Tat sind des Studenten englischsprachliche Fertigkeiten nur im Einzelfall zur Information geeignet. Sein Lieblingswort ist Society, das fällt ungefähr Dreißig Mal. Vielleicht meint er auch Socialism, keine Ahnung, Lu Xun war auf jeden Fall ein bedeutender Schriftsteller, der 1936 verstorben ist. Einer der wichtigsten Akteure der Vierten Mai Bewegung und ein Kritiker am Konfuszianismus und an den darauf basierenden althergebrachten gesellschaftlichen Verhältnissen Chinas - so heisst es im Internet und auch im Museum.
Ich muss später mal sein "Tagebuch eines Verrückten" und die "wahre Geschichte des Ah Q" lesen, um mir ein eigenes Bild zu machen, denn einige Zitate, über die ich während einer kurzen Recherche stolperte, erscheinen mir sehr geistreich. Und ich lese gerne geistreiche Dinge.

Dies war mein durchwachsener Einstieg in meine zweite Woche hier in Shanghai. Und nun regnet es wieder, so dass ich morgen besten Gewissens den Nachmittag im Kunstmuseum verbringen kann!

Wie röhrt der Elch auf Chinesisch?

Montags ist das Kunstmuseum generell, und das Museum der Zeitgenössischen Kunst wegen Umbau, zur Zeit geschlossen. Da war es nichts mit Museumsbesuch und ich hatte etwas mehr Gelegenheit zum Sprachstudium. hen hao.

Der Dienstagnachmittag stand im Zeichen meiner Passabholung. Zum Glück hatte ich noch eine Seite in meinem Pass für die Visaverlängerung frei - dort klebt nun meine frische Lizenz zum Verweilen. Für die verbleibenden vier Tage muss ich mich morgen in der Schule damit erneut unter meiner neuen Visanummer polizeilich registrieren lassen, um nicht doch noch zum illegalen Residenten zu mutieren. Ordnung muss sein!
Vor dem Weg zum Amt gab es einen Snack aus dem Sushirestaurant. Aufgrund von akuter Überfüllung konnten wir leider keinen Platz mehr an der Eisenbahnstrecke mit Waggonladungen von Häppchen bekommen. Meine Wahl fiel somit auf ein komplettes Fischmenü anstelle Rohkost.
Mit meinem Reisepass in der Tasche machte ich noch ein Streifzug durch den "Fakemarket", der sich an der Metrostation des Immigrationsbüros befindet. Habe mir dort ein Gummiverhüterli für meinen Apfelspieler eingehandelt, bin jedoch ehrlich gesagt nicht allzu sehr davon begeistert.

Anschließend ging es zum Elchshop, dem einstmals verrückten Modehaus, das mittlerweile zu 300% globalisiert vereinheitlicht ist.
Im Restaurant lockte Tiramisu und auch Mandeltorte, doch ich blieb eisern und bei Rohkost in Form von Gemüse. Auf gut Zureden gab es keinen Gratiskaffee - keine Familykarte dabei, heißt es für den Kaffee zahlen. Ich frage mich, ob die vielen Seniorengrüppchen, die ihre Zeit dort im Restaurant verbringen, Familymember sind und somit gratis der Geselligkeit ausgiebig frönten. Bei dem schlechtem Wetter macht das druaßen im Park ja auch keinen Spaß. Nachschenken des Kaffees - richtigem Röstkaffee immerhin - ist ohnehin umsonst.
Bis auf Chinesisch als dominierende Sprache, ist im Geschäft fast Alles wie in Europa: das Warenangebot zu 95%, das Ladendesign zu 100%.
Die Preise sind größtenteils mit denen daheim vergleichbar, einiges ist billiger, einiges etwas teurer. Kram- und Kunstoffartikel, die in China hergestellt wurden sind zumeist teils deutlich billiger, macht ja auch Sinn, wenn der Schiffstransport einen großen Anteil an den Produktkosten trägt. Bei einem Vergleich der Webseiten stellte ich jedoch fest, dass ein Schrank, der mir gefiel, daheim nicht angeboten wird - schade.

It's all about art

Was lange währt, wird endlich gut: Ich habe es in xten Anlauf geschafft mein Zugticket von Suzhou nach Hangzhou zu kaufen: Die Zugfahrt dauert zwar nur knapp mehr als drei Stunden, doch habe ich einen Hardsleeper Liegeplatz gebucht. So lerne ich Erstens die Chinesischen Schlafwagen kennen, Zweitens ist die Abfahrtzeit zu Mittag optimal und Drittens war das Ticket um Vierzig Prozent billiger als im nur wenig schnelleren D-Zug. Die preisliche Differenz ist absolut betrachtet allerdings nicht so hoch: mein Ticket hat 66 RMB gekostet.
Generell scheinen die Automaten zur Vorbereitung auf die Mai-Feiertage von zehn auf nur noch sechs Tage Vorkaufszeit umgestellt worden zu sein. Ob das wirklich gegen die Tickethamsterer hilft?

Nicht weit vom Bahnhof entfernt, geradeaus, einmal über die Brücke über den Suzhou Creek und dann rechts am Ufer entlang geht es direkt in den Moganshan Art District - oder besser in das, was davon noch übrig ist, denn der Häuserabbruch war zum Greifen nah.
Dutzende von Galerien zeigen Bilder, Skulpturen, Photographien und Installationen. Das meiste davon kann man kaufen und die Preise für so manches schöne Ölgemälde kann man durchaus als Schnäppchen bezeichnen. Es lassen sich durchaus einige Stunden mit der Besichtigung der vielen Exponate verbringen, kein Vergleich mit dem Shanghai Art Museum im People Park, sondern um Klassen vielfältiger und interessanter.
Ein Künstler war äußerst gesprächsbedürftig und mit ein paar Aussetzern klappte es mit der Kommunikation: er wollte mir gerne, wie schon vielen Deutschen und Europäern vor mir, seine Ölgemälde verkaufen. Dabei veränderte sich ein Preis von 3000 auf 800 RMB, ohne das ich anderes tun musste, als darauf hinzuweisen, dass ich nur lai kan, zum Anschauen gekommen bin und mich erst nach Ende meiner Reise mit künstlerischem Ballast beschweren könne.
Eine andere Galeristin und/oder Künstlerin fragte mich, ob es sich in Berlin billig leben ließe und es dort günstiger für sie wäre ein Studio zu mieten. Man traut mir hier so einiges zu, nun also auch den Überblick über Hauptstadtkünstlerimmobilien. Es erschient mir aber schwierig, in Berlin für knapp 500 Euro monatlich ein Studio/Atelier zu mieten. Wenigstens wenn sich dort auch Publikumsverkehr und Tageslicht einfinden sollen. Auch mit ihrem abstürzenden Rechner konnte ich letztendlich nicht weiterhelfen, er wollte sich nicht ausschalten, aber auch nichts mehr anzeigen und die Batterie schien auch nicht aus dem Gerät zu wollen...ich muss dann mal weg :-)

Brave new world

Am Horizont glänzt, glitzert und spiegelt es, dort wächst die schöne neue Welt hoch in den Himmel hinaus.
Das Preisniveau springt voraus, die Menschen hinterher. Symptome haben Markennamen.
Das Glas Importbier zum Preis eines Langstreckenbahntickets, schöne Aussicht darf auch schon mal etwas mehr kosten: 88 Etagen zu 88, 94 zu 100, 97 zu 110 und 100 zu 150 RMB. Mengenrabatt? Sich von der Masse abzusetzen hat nun mal seinen Preis! Das ist ideal.
Ab und an fällt ein Plastikkrumen für die emsigen Sammler mit ihren großen Beuteln ab.
Was bildet den Antrieb, geht es voran? Sitzen alle mit im Boot, wird die breite Masse mitgezogen in den Strömungswirbeln der großen Kapitäne? Stimmt die Richtung?
Exponential 2010.

Pictures & Video

So viele Shops, doch man darf nicht stoppen
So viele Shops, doch man darf nicht stoppen
Hangkou Stadium Aufs Grüne geblickt
Aufs Grüne geblickt
Seltene Wasservögel
Seltene Wasservögel
Es wird fleißig musiziert
Es wird fleißig musiziert
Besichtigung des chinesischen Expo-Pavillions
Besichtigung des chinesischen Expo-Pavillions
Kanisterkombo - sehr empfehlenswert!
Kanisterkombo - sehr empfehlenswert!
Aufgang zum Lu Xun Museum
Aufgang zum Lu Xun Museum
Laufrad Seetangangler Fischmenü im Susihirestaurant
Fischmenü im Susihirestaurant
Hier röhrt der Elch!
Hier röhrt der Elch!
Futter wie daheim
Futter wie daheim
Rohkost Abschiedssnacks Küchenchef Gang zur Kunst Sea to see Bambustreppenhaus
Bambustreppenhaus
fertig? Wash your hands Galerieaushang Gimme 5 Tor I used to play here...
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Die Bagger rücken näher
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Protected by Lord Helmchen
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Letzter Außenposten
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Vielleicht abtauchen?
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Töricht Schnipp Schnapp? Neueste Überwachungstechnik
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Der Bombenleger steht schon bereit
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Fahnen Turm Dach The other side of Bund
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Kein Grund sich zu verstecken
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Superbrandshopping
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Jinmao and Finance Center
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Eingekreist Beep Beep Bebeep...
Beep Beep Bebeep...
Messerscharf Alles Fassade Better city better life
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