Gardenien und Canalien

Suzhou, China

Die Idee bereits am Vortag ein zusätzliches Metroticket für die Fahrt zum Bahnhof zu kaufen, erwies sich als Flop – das Drehkreuz verweigerte mit der Meldung „Service 7“ die Passage. Also noch eins kaufen, denn mit vollem Gepäck lange nach Service 7 zu suchen erschien nicht gerade sinnvoll.
Die Wartehalle im Bahnhof war bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt, es hieß warten, bis die rote Anzeige auf grün umspringt, dann heißt es sich sputen und in den Zug gelangen.
Der Zug war luxurös modern und mit deutlich mehr Gepäck und Beinfreiheit als der heimische ICE. Businessclass halt. Mit knapp 200km/h ging es superleise durchs Land, vorbei an der Neubaustrecke für die nächste, fast doppelt so schnelle Zuggeneration. Mit dem Taxi geht es zur Herberge. Zum Glück habe ich mich vorher noch mal kundig gemacht und halte die Augen offen, denn wohin ich wollte, hatte der Fahrer nicht wirklich verstanden und die Unterkunft kannte er nicht. Es heißt sich umgewöhnen: eine knüppelharte Unterlage und Vorsicht vor dem Durchlaufverbrüher! Bei meinem ersten abendlichen Streifzug durch die Stadt – die um einiges größer ist, als ich annahm – bekomme ich in einer Seitengasse unliebsame Gesellschaft. Anhalten und verweilen nutzt nichts, rein zufällig wartet der Kerl an jeder nächsten Gabelung und beobachtet wo ich entlang gehe. Völlig unauffällig 🙂
Die Dämmerung setzt ein, und da lege ich keinen Wert darauf, von jemandem verfolgt zu werden, der zuvor gierig auf meine Kamera gestarrt hat. Weder möchte ich überfallen werden, noch solchen Menschen zeigen, wo ich wohne.
Erst als ich wieder eine größere Straße mit Autoverkehr erreicht habe und mehrfach die Straßenseite wechsele, gibt er auf. Wireless Internet im Zimmer ist wie manches anderes in dieser Herberge nur in der Beschreibung im Buchungsportal vorhanden. Ich habe tatsächlich die Bettdecke des zweiten Bettes über die Holzplatte gelegt, die sich hier Matratze nennt. Am morgen schafft man es nicht einmal ein Spiegelei und zwei Scheiben Toast aus einem glibberigen Zustand zu befreien. Kaffee gehört hier nicht zum Frühstück, nur gelbes Zuckerwasser. Kaffee kostet extra. Dafür gibt es schmuddelige Köter und Zigarettenqualm. Angesichts des unappetitlichen Frühstückes verzichtete ich auf eine weitere Desillusionierung durch überteuerten Instantkaffee.
Meine Bewertung der Unterkunft wird wohl nicht sehr rosig ausfallen. Für den größten Park hier in der Stadt will man stolze 8 Euro Eintritt. Bereits der Eingang ist verstopft von Busladungen voller chinesischer Touristen, so denke ich mir, dass eine große Wiese und ein großer See nicht unbedingt sehenswerter ist und ziehe zum nächsten Garten weiter. Drei Parks zum Preis von einem. Das Suzhou Museum neben dem Park scheint heute? den Tag freien Eintritts zu haben, so kann ich einige nette Ausstellungsstücke und Pavillons besichtigen. Abgesehen von manchen Kanälen (andere erfüllen schlicht ihren Zweck als Kloake) und Gärten ist Suzhou jedoch die häßlichste und charakterfreieste Stadt, die ich bisher in China erleben durfte. In der Fußgängerzone hat man es zum Beispiel geschafft alle fünf Meter Laternen mit zwei fetten roten KFC Schildern aufzustellen, was einfach nur gruselig aussieht.
Ich bemühe mich auch weiterhin, um all die Schäbigkeit herumzufotografieren…

Vom Scheitern und Kulturellem

Shanghai, China

Oh dieser Bahnhof!
Wenn es einen Ort des Grauens hier in China gibt, an dem mir die negativen Schwingungen nur so um die Ohren schlagen, dann ist es der Bahnhof Mitte in Shanghai.
Warum um Gottes Willen war ich denn schon wieder dort, könnte man sich fragen, habe ich mich auch gefragt, es war fraglich, es war Fügung.
Bis nachmittag hatte man noch schönes Wetter angesagt und da dachte ich mir, „Raus ins Freie!“, ab in den Lu Xun Park am Hangkou Stadium. Und dorthin ging es mit der Metro über diesen verflixten Bahnhof.
(Es gibt allerdings auch eine neuere Metrolinie, die Linie 8, die in meinem Plan von 2007 noch nicht verzeichnet war und auf direktem Wege vom People’s Square dorthin fährt.
Zu spät gemerkt, ich stand bereits im Zug der Linie 1.)
Am Bahnhof musste ich die U-Bahnstation verlassen, da es keinen Transit zur Linie 3 gab. Ergo: Neu bezahlen 🙁
Die lange U-Bahnpassage hat man mit Schildern vollgepflastert, dass man weder Radfahren, Spucken, Rauchen, oder etc. etc. dürfte – und auch nicht Stehenbleiben! Dumm nur, dass sich an beiden Seiten unzählige Shops befinden, wie soll man denn dort etwas kaufen, ohne anzuhalten??? Bei der Gelegenheit, am Bahnhof aussteigen zu müssen, dachte ich mir, kaufe ich mir ein noch fehlendes Zugticket. Zack an den Automaten, Suzhou-Hangzhou, Datum eingetippt, Hää?
Erster Tag des Vorverkaufs und bereits alle Züge ausverkauft? Ach nein, da gibt es noch Hardbed auszuwählen. Bei der Auswahl erschien dann allerdings auch wieder ausverkauft.
Ich habs dann an weiteren Automaten und ebenfalls in chinesischer Sprache versucht: der Zug wird als verfügbar angezeigt, aber man kann ihn nicht auswählen.
Schluck, was nun? Bin ich nun hier in China gestrandet, außerstande meine gebuchte Unterkunft zu erreichen??
Versucht mal in Shanghai am Bahnhof den Ticketverkauf zu finden, oder einen der vielen Offiziellen zu fragen! Die zeigen natürlich von sich weg, aber das war es dann auch schon. Touristeninformationen gibt es zwei, doch eine unbesetzter als die Andere.
Nach einer halben Bahnhofsumrundung, endlich den Ticketverkauf gefunden (außerhalb des Bahnhofes über die Straße hinüber) dort am Schalter kommt mein Zettel mit allen notwendigen Informationen zum Einsatz, führt aber nur dazu, dass ich des Schalters verwiesen werde: ‚Andere zehn Schalter‘.
An einem anderen Schalter weist man mich erneut ab, allerdings zu Schalter 10, dort spräche man Englisch.
An diesem tollen Schalter Nummer 10 prangt dann ein ‚English speaking‘ Schild und eine Kundenzufriedenheitsplakette. Die Frau hinter der Scheibe zeichnet jedenfalls nicht für die Verleihung verantwortlich, denn bereits für mein ‚Ni Hao‘ ernte ich ein grimmiges Grummeln.
Ich versuche mein Ticketanliegen auf Chinesisch vorzutragen und die Frau hat es auch verstanden, aber bemüht sich dann nicht weiter, sonden pflaumt mich an, Tickets für den 27. könnte ich erst ab dem 22. kaufen.
Das ist jetzt wieder neu für mich, besonders, da der Automat Zehn Tage im Voraus die Auswahl ermöglicht und ich mein Ticket nach Suzhou auch mehr als sechs Tage im Voraus gekauft habe. Ich habe den Eindruck, sie wollte mir kein Ticket verkaufen. Ich werde es also in vier Tagen nochmals versuchen, ansonsten muss ich halt versuchen einen Bus zu nehmen. Dann versuche ich die U-Bahn Linie 3 zu meinem heutigen Ziel zu nehmen, an der Gepäckdurchleuchtung wird wieder einmal die Hälfte der Personen von Gelbarmbandigen Hilfskräften durchgewunken, ich dagegen muss mich halb mit einer Chinesin prügeln, die unbedingt ihre Tüte noch vor meinem Rucksack auf das Laufband legen will und mich wegschieben möchte. Sie rempelt und rempelt und dann wird sie mitsamt ihrer Tüte von einem anderen Gelbarmband am Apparat vorbei gewiesen. Ich sage ihr auf gutdeutsch: „Sie sind eine sehr unhöfliche Person“
Das versteht sie nicht, antwortet nichts, aber ich denke sie hat verstanden, dass ihre – völlig sinnfreie – Rempelei unangemessen war.
Dafür steige ich dann in den falschen Zug. Vielleicht hat die Frau mich auch im Stillen verdammt, wer weiß das schon? Schutzengelchen und Fatimas Auge sind hier manchmal arg unter Beschuss, habe ich den Eindruck. Aber zum Glück nur manchmal, die allerallermeisten Chinesen sind nett und hilfsbereit. Ist halt nur so, dass selbst die Anteilsmäßig wenigen schwarzen Schafe, absolut betrachtet, ziemlich viele sind… Mir fällt es im Zug vor dem nächsten Halt auf, dass ich mich in Linie 4 und nicht Linie 3 befinde, weil ich die Station Hangkou Stadium nicht auf dem Streckenplan finden kann. Beide Linien fahren einige Stationen auf dem selben Gleis, deshalb muß man auf den farbigen Streifen (gelb oder lila) an der Seite, oder die Wagennummer achten. Wieder etwas gelernt.
Aussteigen, nächsten (gelbgestreiften) Zug abwarten, einsteigen, Streckenplan erneut studieren:
Ah, Hangkou Stadium!
Oh, falsche Richtung.
Also die Nächste erneut Aussteigen, Treppe ab und Treppe auf und wieder einsteigen – dabei habe ich auch gut auf den korrekt kolorierten Streifen geachtet. Es geht erneut am Bahnhof vorbei und einige Stationen später steige ich an meinem Ziel aus. Am Park waren Zaunfetischisten am Werk, Zäunchen, um genau zu sein, mit „Soll-Drüberkletter-Stellen“ so scheint es, denn man hat sogar einen Weg zwischen zwei unsinnigen Zäunen, die den Eingang behindern angelegt und die Spitzen des Zäunchens ordnungsgemäß umgebogen, damit die Leute sich nicht die Hosen aufreißen. Auf die Idee, einen Zaun nur dort hinzusetzen, wo er auch Sinn macht, scheint keiner gekommen zu sein.
Ich finde einen Eingang ohne zu Klettern und stehe einige Minuten später vor einem Lu Xun Museum, ohne recht zu wissen, was es mit dem Menschen auf sich hatte.
Da der Eintritt frei ist (aber man dennoch ein kostenloses Ticket am Schalter holen muss) bin ich bereit es herauszufinden. Beim Betreten der Ausstellung stürzt sich ein ‚Volunteer‘ auf mich, der mir die Ausstellung auf Englisch erläutern möchte. Wenn Menschen Gutes tun wollen, soll man sie nicht zurückweisen, denke ich mir, obwohl ich Schlimmes befürchte und in der Tat sind des Studenten englischsprachliche Fertigkeiten nur im Einzelfall zur Information geeignet. Sein Lieblingswort ist Society, das fällt ungefähr Dreißig Mal. Vielleicht meint er auch Socialism, keine Ahnung, Lu Xun war auf jeden Fall ein bedeutender Schriftsteller, der 1936 verstorben ist. Einer der wichtigsten Akteure der Vierten Mai Bewegung und ein Kritiker am Konfuszianismus und an den darauf basierenden althergebrachten gesellschaftlichen Verhältnissen Chinas – so heisst es im Internet und auch im Museum.
Ich muss später mal sein „Tagebuch eines Verrückten“ und die „wahre Geschichte des Ah Q“ lesen, um mir ein eigenes Bild zu machen, denn einige Zitate, über die ich während einer kurzen Recherche stolperte, erscheinen mir sehr geistreich. Und ich lese gerne geistreiche Dinge. Dies war mein durchwachsener Einstieg in meine zweite Woche hier in Shanghai. Und nun regnet es wieder, so dass ich morgen besten Gewissens den Nachmittag im Kunstmuseum verbringen kann! Wie röhrt der Elch auf Chinesisch? Montags ist das Kunstmuseum generell, und das Museum der Zeitgenössischen Kunst wegen Umbau, zur Zeit geschlossen. Da war es nichts mit Museumsbesuch und ich hatte etwas mehr Gelegenheit zum Sprachstudium. hen hao. Der Dienstagnachmittag stand im Zeichen meiner Passabholung. Zum Glück hatte ich noch eine Seite in meinem Pass für die Visaverlängerung frei – dort klebt nun meine frische Lizenz zum Verweilen. Für die verbleibenden vier Tage muss ich mich morgen in der Schule damit erneut unter meiner neuen Visanummer polizeilich registrieren lassen, um nicht doch noch zum ille galen Residenten zu mutieren. Ordnung muss sein!
Vor dem Weg zum Amt gab es einen Snack aus dem Sushirestaurant. Aufgrund von akuter Überfüllung konnten wir leider keinen Platz mehr an der Eisenbahnstrecke mit Waggonladungen von Häppchen bekommen. Meine Wahl fiel somit auf ein komplettes Fischmenü anstelle Rohkost.
Mit meinem Reisepass in der Tasche machte ich noch ein Streifzug durch den „Fakemarket“, der sich an der Metrostation des Immigrationsbüros befindet. Habe mir dort ein Gummiverhüterli für meinen Apfelspieler eingehandelt, bin jedoch ehrlich gesagt nicht allzu sehr davon begeistert. Anschließend ging es zum Elchshop, dem einstmals verrückten Modehaus, das mittlerweile zu 300% globalisiert vereinheitlicht ist.
Im Restaurant lockte Tiramisu und auch Mandeltorte, doch ich blieb eisern und bei Rohkost in Form von Gemüse. Auf gut Zureden gab es keinen Gratiskaffee – keine Familykarte dabei, heißt es für den Kaffee zahlen. Ich frage mich, ob die vielen Seniorengrüppchen, die ihre Zeit dort im Restaurant verbringen, Familymember sind und somit gratis der Geselligkeit ausgiebig frönten. Bei dem schlechtem Wetter macht das druaßen im Park ja auch keinen Spaß. Nachschenken des Kaffees – richtigem Röstkaffee immerhin – ist ohnehin umsonst.
Bis auf Chinesisch als dominierende Sprache, ist im Geschäft fast Alles wie in Europa: das Warenangebot zu 95%, das Ladendesign zu 100%.
Die Preise sind größtenteils mit denen daheim vergleichbar, einiges ist billiger, einiges etwas teurer. Kram- und Kunstoffartikel, die in China hergestellt wurden sind zumeist teils deutlich billiger, macht ja auch Sinn, wenn der Schiffstransport einen großen Anteil an den Produktkosten trägt. Bei einem Vergleich der Webseiten stellte ich jedoch fest, dass ein Schrank, der mir gefiel, daheim nicht angeboten wird – schade. It’s all about art Was lange währt, wird endlich gut: Ich habe es in xten Anlauf geschafft mein Zugticket von Suzhou nach Hangzhou zu kaufen: Die Zugfahrt dauert zwar nur knapp mehr als drei Stunden, doch habe ich einen Hardsleeper Liegeplatz gebucht. So lerne ich Erstens die Chinesischen Schlafwagen kennen, Zweitens ist die Abfahrtzeit zu Mittag optimal und Drittens war das Ticket um Vierzig Prozent billiger als im nur wenig schnelleren D-Zug. Die preisliche Differenz ist absolut betrachtet allerdings nicht so hoch: mein Ticket hat 66 RMB gekostet.
Generell scheinen die Automaten zur Vorbereitung auf die Mai-Feiertage von zehn auf nur noch sechs Tage Vorkaufszeit umgestellt worden zu sein. Ob das wirklich gegen die Tickethamsterer hilft? Nicht weit vom Bahnhof entfernt, geradeaus, einmal über die Brücke über den Suzhou Creek und dann rechts am Ufer entlang geht es direkt in den Moganshan Art District – oder besser in das, was davon noch übrig ist, denn der Häuserabbruch war zum Greifen nah.
Dutzende von Galerien zeigen Bilder, Skulpturen, Photographien und Installationen. Das meiste davon kann man kaufen und die Preise für so manches schöne Ölgemälde kann man durchaus als Schnäppchen bezeichnen. Es lassen sich durchaus einige Stunden mit der Besichtigung der vielen Exponate verbringen, kein Vergleich mit dem Shanghai Art Museum im People Park, sondern um Klassen vielfältiger und interessanter.
Ein Künstler war äußerst gesprächsbedürftig und mit ein paar Aussetzern klappte es mit der Kommunikation: er wollte mir gerne, wie schon vielen Deutschen und Europäern vor mir, seine Ölgemälde verkaufen. Dabei veränderte sich ein Preis von 3000 auf 800 RMB, ohne das ich anderes tun musste, als darauf hinzuweisen, dass ich nur lai kan, zum Anschauen gekommen bin und mich erst nach Ende meiner Reise mit künstlerischem Ballast beschweren könne.
Eine andere Galeristin und/oder Künstlerin fragte mich, ob es sich in Berlin billig leben ließe und es dort günstiger für sie wäre ein Studio zu mieten. Man traut mir hier so einiges zu, nun also auch den Überblick über Hauptstadtkünstlerimmobilien. Es erschient mir aber schwierig, in Berlin für knapp 500 Euro monatlich ein Studio/Atelier zu mieten. Wenigstens wenn sich dort auch Publikumsverkehr und Tageslicht einfinden sollen. Auch mit ihrem abstürzenden Rechner konnte ich letztendlich nicht weiterhelfen, er wollte sich nicht ausschalten, aber auch nichts mehr anzeigen und die Batterie schien auch nicht aus dem Gerät zu wollen…ich muss dann mal weg 🙂 Brave new world Am Horizont glänzt, glitzert und spiegelt es, dort wächst die schöne neue Welt hoch in den Himmel hinaus.
Das Preisniveau springt voraus, die Menschen hinterher. Symptome haben Markennamen.
Das Glas Importbier zum Preis eines Langstreckenbahntickets, schöne Aussicht darf auch schon mal etwas mehr kosten: 88 Etagen zu 88, 94 zu 100, 97 zu 110 und 100 zu 150 RMB. Mengenrabatt? Sich von der Masse abzusetzen hat nun mal seinen Preis! Das ist ideal.
Ab und an fällt ein Plastikkrumen für die emsigen Sammler mit ihren großen Beuteln ab.
Was bildet den Antrieb, geht es voran? Sitzen alle mit im Boot, wird die breite Masse mitgezogen in den Strömungswirbeln der großen Kapitäne? Stimmt die Richtung?
Exponential 2010.

Der Bund fürs Leben?

Shanghai, China

Nach einer quälend Schnarchnasigen Fahrt gelange ich zum Flughafen von Guilin, natürlich mit Essensbeschaffungsunterbrechung des Fahrers. Querfeldein ging es, damit bloß nicht die vier Yuan Expressstraßenmaut anfallen. Ich glaube hier in China braucht man keinen Führerschein, um mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Und falls doch, dann ist dieser sicher nur eine Frage des Geldes und nicht des Könnens.
Einen knapp zweistündigen Flug später lande ich in Shanghai auf dem Flughafen Hongqiao und dort gehen die Abzockversuche in die nächste Runde: Ein halbes Dutzend Uniformträger weisen mich in Richtung eines offiiziell aussehenden Taxi-Service Schalters und dort fragt man mich, wo es denn hingehen soll. Ich bin ja recht skeptisch und als ich auf meine Frage nach dem Preis stolze 250 Yuan mitgeteilt bekomme, wende ich mich prustend vom Schalter ab und verlasse das Flughafengebäude.
Siehe da: eine riesige Schlange von Taxis wartet dort auf Kundschaft. Obwohl ich bei meinen Fahrer aufgrund meiner GPS-Aufzeichnung vermute, dass er einen unnötigen Schlenker um den Flughafen herum gemacht hat, und mit 3,6 Yuan pro Kilometer sicher der höchstmögliche Tarif angewendet wurde, habe ich 87 Yuan bezahlt. Ein kleiner Unterschied!
Laut Hinweisschildern sollte es auch eine U-Bahnstation am Hongqiao Flughafen geben, da ich aber rechtzeitig in der Schule eintreffen musste, habe ich es mit ÖPNV garnicht erst probiert.
Es regnet seit meiner Ankunft in Strömen. In der Schule gab es die üblichen Formalitäten auszufüllen, selbst wenn bereits alle Informationen der Schule vorliegen. Und dann gab es einen Einstufungstest. Ähemm.
Interessanterweise verhält es sich bei der Uhrzeitangabe von 6:45 genau anders, als ich es gelernt habe: „Es fehlt ein Viertel von Sieben“ soll falsch sein, hingegen „Ein Viertel mehr als Halb Sechs“ richtig. Angesichts solcher lokalen? Gegensätze verwende ich dann lieber Stunden und Minuten.
Auch die Toilette heisst hier auf einmal anders. Ich bin mal gespannt auf das Lernbuch, das ich morgen erhalte…
Ich bin jedenfalls als Elemtary level two eingestuft worden, nicht viel, aber auch nicht totaler Beginner. Die Unterkunft im Shared Appartment liegt keine Hundert Meter von der Schule entfernt in einem luxuriös anmutenden Appartmenthaus mit Pförtnern, mehreren Aufzügen, die nur durch Codekarten bedienbar sind. Die Appartmenteinrichtung scheint mir zu 100% von IKEA zu stammen. Den Lattenrost des Bettes musste ich erst einmal reparieren und die Matratze ist knochenbrecherweich – ich bin mir nicht sicher, ob ich nach all der nächtlichen Festigkeit darauf überhaupt noch schlafen kann. Da ich in die „falsche“ Richtung das Haus verlasse, gerate ich nach einigen Metern auf die luxuriöse Einkaufstraße Nanjing Dong Lu und trotz des Mistwetters eilen die Nepper und Schlepper wie die Schmeißfligen heran: „Watch, Iphone, DVD?“ Andere nett aussehende Damen wollen gleich sich selbst verkaufen.
Ignorieren,ignorieren, ignorieren.
Einmal die Straße auf und ab zähle ich fünf McDonalds, drei Starbucks und Pizzahüte. In einer Plaza mache ich einen Ausflug bis in die Achte Etage, zum Metropol Kino, um zu schauen, welche Filme in Englisch dort laufen. Keine. Sehr vertrauenswürdig sah dies Kino aber auch nicht aus, insbesondere waren die Notausgänge von Außen mit Fahrradschlössern versperrt – eine potentielle Todesfalle. Der zweite erste Schultag Während der ersten beiden Unterrichtsstunden wird mir klar, dass ich fehl am Platze bin. Der Elementary Level 2 Kurs ist bereits beim Dritten Kapitel des zweiten Lehrbuches dieser Sprachschule. Natürlich sind deren Bücher ganz anders strukturiert und natürlich werden die Vokabeln der Vorgängerausgaben ganz selbstverständlich vorausgesetzt.
Was dann zu der Situation führt, dass ich etliche der Sprachstrukturen durchaus kenne und auch anwenden könnte, doch nicht mit dem mir nicht bekannten Vokabular. Vielleicht könnte ich theoretisch in einer Art Powerstudienmodus nebenher noch mal eben die Vokabeln von fünf Wochen Sprachlehrggang in wenigen Tagen nacharbeiten, aber praktisch würde das bei meinem nur zweiwöchigen Aufenthalt in extremen Stress ausarten und wäre doch zum Scheitern verurteilt.
Ich entschließe mich, in den Anfänger Kurs zu wechseln und einiges zu rekapitulieren, aber auch eine Menge neuer Vokabeln zu lernen. Mit dem zweiten Buch kann ich es dann in Beijing nochmals versuchen. Zum Mittagsessen wählte ich mir (unabsichtlich) mit Sojaöl verbackenen Reis mit wenigst Gemüse und Schnippeln von Bauchspeck aus. Vielleicht ist dem Koch auch das Gericht misslungen, was mich auch nicht wundern würde, denn nachdem ich bestellt hatte und an einem Tisch Platz genommen hatte, bemerkte ich die Kakerlake unter dem Tisch. Prima. Dann kam auch noch ein rcht fleischiger Chinese hinzu, der mir Belanglosigkeiten erzählen wollte und dabei seine Fleischbrühe lautstark schlürfte. Ich weiß, es ist hierzulande Usus, aber ich kann beim besten Willen keinen Wohlgefallen an der Geräuschkulisse empfinden, die ensteht, wenn Menschen mit offenem Mund ihr Essen herunterschlingen, als ob es ihnen jemand wieder wegnehmen würde, äßen sie nicht schnell genug. Wenigstens wird im Restaurant nicht der Rotz hochgezogen und dann auf den Boden gespuckt.
Kurzgesagt: mein Mittagessen verlief semiideal. Dann kam ich auf die Idee, in den Peoples Park zu gehen, der um die Ecke ist von dort zum Bahnhof zu laufen. Das interessante ma Park sind die Museen, die ich mir für die nächsten Tage vorgenommen habe. Leider näherte ich mich dem Bahnhof von Norden und das gesamte Areal, inklusive Eingänge wurde sin*****weise in eine Großbaustelle umgewandelt. Folgt man den Wegweisern, zum Teil über Trittsteine, die in knöcheltiefen Schlamm gelegt wurden, stellt man fest, dass man im Busterminal landet, aber niemals im Bahnhof. Also den ganzen Balanceakt nochmals. Wir sprechen hier von einem knappen Kilometer. An die Busreisenden hat bei der Bauaktion niemand gedacht. Anschließend muss man dann in die U-Bahn hinunter (keine Rolltreppen), dort 500Meter durch Unterführungen wandern und dann rauf und 500m später (ebenfalls über einen kleinen Schlammgraben) ist man endlich am Eingang zum Bahnhof. Super!
Ich hatte richtig Mitleid mit den armen Schweinen, die mit schwerem Gepäck mit dem Bus ankamen, oder einfach in den Bahnhof wollten.
Die Bauarbeiten hierzulande laufen ohne Gnade und Rücksicht ab. Dazu passte der Artikel aus der China Daily, dass Bewohner einer Anlange von Eigentumswohnungen durch herumlaufende Vermesser darauf hingewiesen wurden, dass ihre Wohngebäude demnächst abgerissen werden, um neu zu bauen. Die Stadt hatte das Areal für gutes Geld (da mittlerweile im Wert gestiegen) an eine Baufirma verhökert und die derzeitigen Pächter angeblich durch eine schlichte Bekanntmachung auf einer Website darüber informiert. Wozu moderne Technik doch zu gebrauchen ist…
Die Eigentumswohnungen waren immerhin vor über Acht, ja zum Teil schon vor Neun Jahren fertiggestellt worden! Das muß doch reichen!
Und nur ein Schelm denkt sich böses dabei, wenn nach dem Abriss Eigentumswohnungen der gleichen Art und Weise darauf gebaut werden sollten…
Ein weiterer Artikel beschäftigte sich mit der Tatsache, dass Gebäude in China für eine durchschnittliche Nutzung von 25-30Jahren gebaut werden, was im internationalen Vergleich als eher dürftig, und auf jeden Fall, als enorme Resourcenverschwendung angesehen werden kann.
Vor allem der viele enstehende Gebäudemüll beim Abriss, sei das Problem… Dort im Bahnhof kann ich am Automaten (Englisch :-)) meine Bahntick ets kaufen – aber erst in ein paar Tagen, denn kaufen kann man nur für zehn Tage im Voraus. Und das alles nur, weil sich ansonsten der Ticketverkauf für besondere Gelegenheiten auf den Schwarzmarkt verlagern würde. Ist halt so bei der Geschäftstüchtigkeit… Zum Abschluss des Tages ging es dann noch an den Bund. So heisst hier die Uferstraße am Huangpo. Voller Leute die Kaipromenade, voller Lichter die Kulisse und der Blick hinüber nach Pudong ist auch recht anschaulich. Fast wie daheim 😉 Abgestellt, angestellt und eingestellt Abgestellt hat sich heute morgen der Durchlauferhitzer, den man eher als Durchlauferwärmer bezeichnen kann. Da ich der Frühaufsteher hier in der WG bin, konnte ich noch halbwegs warm duschen, aber nach mir die eisige Sintflut.
Dies ist recht ärgerlich, denn es ist hier wieder recht kalt geworden und für morgen soll es noch kälter werden, auf nur noch 4 Grad und Regen. Im Gegensatz zu Qingdao gibt es hier in der Regel jedoch keine Heizung und auch Gebäudeisolierung wird für eine – per behördlicher Definition – dem Süden Chinas zugehörige Stadt nicht verlangt. Angestellt habe ich mich heute im Amt für Immigration für eine Visaverlängerung. Man hat mir in der Schule zwar gesagt, alles kein Problem, machen sie, kostet nichts, aber wie das nun einmal mit dem so ist, was man hierzulande sagt: den nächsten Tag, sagt man es wieder ganz anders. Da gibt man mir meinen Pass, mein Registrierungsformular (man muß hier behördlich gemeldet werden, wenn man eine Unterkunft bezieht, ansonsten ist man ein illegaler Alien) und die von mir gewünschte Quittung für das gekaufte Schulmaterial. Für den Erhalt der Quittung muss ich tatsächlich unterschreiben! Ich frotzele der Deutschsprechenden Schulmitarbeiterin entgegen, ob ich denn nun auch für meine Unterschrift eine Quittung bekomme, aber so gut ist ihr Deutsch dann doch wieder nicht und ich belasse es dabei.
Angesichts meines Passes frage ich nach, wie es denn mit der Visaverlängerung aussehen würde, da mein Visum Ende April ablaufen würde und ich im Mai in Beijing in ihrer Sprachschule weiter Chinesisch lernen wolle.
Das könne ich ich dann ja in Beijing verlängern lassen.
Aha – Erde an Hirn, Erde an Hirn, jemand da?
Ich weise darauf hin, dass zu dem Zeitpunkt mein Visum bereits abgelaufen wäre und ich mich demnach nicht mehr in China aufhalten dürfte. Es kamen noch zwei weitere, vergleichbar unmögliche Vorschläge. Anschließend brechen hektische Diskussionen in unverständlichem Chinesisch aus und letztendlich wird mir gesagt, dass ich zu der oben genannten Behörde hin müsse und eine Kopie meines Passes bräuchte. Die wolle man mir machen und ich könne dann heute nachmittag dorthin.
Erstmal hieß es U-Bahn fahren, was im Rahmen der Expo-Vorbereitungen kein Problem ist, da Automaten und Beschilderung auch in Englisch verfügbar sind.
Dann hieß es, an den sich beim Verlassen der Metrostation wie nordische Stechmücken auf mich stürzenden Plagiats- und Nonsensverkäufern durchkommen.
Zehn Schritte vor mir ging ein anderer Westler, warum haben die DEN nicht belästigt???
Ich habe im Amt dann meine Nummer gezogen: 339 – „vor ihnen warten 75 andere“ – arrgh.
Das bedeutete fast eineinhalb Stunden warten zu müssen. Prophylaktisch habe ich eines der Visaantragsformulare ausgefüllt, soweit es mir möglich war und ein Passbild draufgeklebt.
War wohl keine schlechte Idee. Die Passkopie brauchte ich nicht, dafür eine des
Registrierungsformulars, welche ich aber aber vor Ort für Fünf Mao
machen lassen konnte. Ich erhielt eine Quittung für meinen Pass, gegen die (und 160 Yuan) ich ihn nächste Woche wieder abholen kann, mit dem um einen Monat verlängerten Visa. Eingestellt habe ich gegen Abend die ausschließlich in Chinesisch beschriftete Etagenwaschmaschine. Einen Laundryservice gibt es hier nicht, selbst ist der Mann. Die Tasten für das korrekte Waschprogramm gedrückt: 40 Grad, Standardwäsche, 800 Schleudertouren; etwas des für 2,90 Yuan gekauften OMOs eingefüllt und gestartet.
(Ein wenig habe ich geflunkert, denn es hat jemand eine englische Kurzbedienungsanleitung erstellt, an der ich mich orientiert habe. ohne die (siehe Bild der Bedienelemente) wäre die Wäsche wohl niemals sauber geworden.)
Die Waschmaschine hat übrigens keine Unwuchtautomatik, und ich musste sie nach dem Spülen wieder einfangen. Die Unterrichtsstunden heute ließen mich meine gestrige Wahl des niedrigeren Kurses zu Beginn bereuen, denn es ging nicht voran. Die anderen Kursteilnehmer verstehen einfach nur Chinesisch 🙂
Andererseits ist es recht komfortabel, Bekanntes im Unterricht aufzufrischen und währenddessen meine bisherigen Unterlagen nochmals aufzuarbeiten.
Während sich Europa in Asche hüllt und hier, allerdings im fernen Westen des Landes, die Erde bebt, beende ich meine erste Schulwoche. Bis auf einige Vokabeln gab es für mich nichts grundlegend Neues in der Sprache zu entdecken. Das soll jetzt nicht heißen, dass Chinesisch nun ein alter Hut für mich ist, den ich in- und auswändig kennen würde. Beileibe nicht! Ich kenne das sprachliche Skelett, wenigstens eine vereinfachte Form davon, so in der Art Strichmännchen. Dies gilt es zu befleischen mit Wörtern, Wörtern und nochmals Wörtern, damit es lebendig werden kann. Dazu müsste ich Vokabeln lernen, lernen und nochmals lernen, was jedoch schwerfällt, wenn es zugleich noch einiges Interessantes in der Stadt und Umgebung zu entdecken gilt.
Freitag gab es eine Art Zwischentest statt Unterricht. Ich konnte den mündlichen Teil zum Praktizieren ei***** Sätze nutzen, die über den aktuellen Kapitelfortschritt des Kurses hinausgehen. Verbesserungswürdig. Insgesamt habe ich gut bestanden, wäre ansonsten auch peinlich gewesen.
Interessanterweise gestaltet sich die eingangs erwähnte Problematik der korrekten Angabe einer „Viertel vor…“ Uhrzeit nun doch wieder anders, und genau so, wie ich es zuvor gelernt habe. Ha! Von wegen Viertel nach Halb! Sagt auch hier keiner. Ich frage mich, ob es nur mir so vorkommt, dass ab und an Sachverhalte vollkommen verdreht dargestellt werden? Sogar essentielle Sachverhalte, die tagtäglich zu Tragen kommen und keinerlei esoterisches Fachwissen benötigen. Am Samstag gab es einen von der Schule organisierten Ausflug zur Qibao Old Town (bezeichnet als Qibao Watertown). Wie man bereits durch einen Blick in die Guggelkarten feststellen kann, handelt es sich dabei um ein etwa Zwei Quadratblocks großes Areal, das von einem Kanal durchzogen wird. Darin gibt es eine schmale Gasse voller Fress- und Schnickschnackbuden und auf dem Kanal werden Besucher auf kleinen Holzbooten einmal nach links und dann wieder nach rechts gepaddelt. Alt ist am Ganzen nur die Tatsache, dass der Verlauf der Gasse bereits 1000 Jahre existiert. Das Gedränge beim schönen Wetter war allerdings gigantisch und dazu passend gab es Lautsprecherdurchsagen, man möge doch bitte gut auf seine Wertsachen und elektronischen Geräte aufpassen. Wegen der Taschendiebe. Den Tag zuvor habe ich eine Wanderung vom Jin An Tempel (nur von Außen, da mir keine 30RMB Eintritt an einem nagelneuen Tempel liegen) mit einem Kilometerlangen Schlenker in die falsche Richtung (es empfiehlt sich VOR dem Losgehen auf die Karte zu schauen) hin zum Yufo Tempel gemacht. Dort gibt es Jadebuddhas. Um einen Zweimeterjadebuddha aus Myanmar zu besichtigen (für den man den Tempel errichtet hat) soll man noch einmal 10RMB zahlen, um daran vorbeilaufen zu dürfen. Habe ich verpasst und bin stattdessen den weiteren Kilometer zum Bahnhof, um mir dort eine Bahnkarte für n&#x E4;chsten Samstag zu kaufen. Freitagnachmittag herrscht dort ordentlich Betrieb!
Das Ticket zu kaufen ging enorm schnell, nach 45 Sekunden hatte ich Datum, Strecke und meinen Businessticketwunsch in den Automaten getippt. Warum dann ein hilfsbereiter Chinese meinte mir zeigen zu müssen, wo ich den Geldschein hineinzuschieben habe, hat sich mir nicht erschlossen. Vielleicht wollte er mich auch nur darum erleichtern.
Wenn ich das Zeichen auf dem Ticket richtig deute, sitze ich in Wagen 14, Nummer 002 – entweder der Sitz oder die Ticketnummer. Einen anderen Tag verschlug es mich im strömenden Regen ins Shanghai Museum: dort galt es eine lange Warteschlange zu überstehen (draußen), weil im Vorfeld der Expo und nach den Bombenanschlägen in der Moskauer U-Bahn die Sicherheitsmaßnahmen deutlich erhöht wurden.
Jedenfalls stand im Museum EIN Metalldetektor, durch den alle Besucher hindurch mussten und dafür standen ZEHN Uniformierte herum und schauten zu. Den Detektor hatte man auf ultraparanoid eingestellt, so dass er auf jeden BH-Verschluss und jede Münze in der Hosentasche der Besucher anschlug. Dementsprechend langwierig gestaltete sich die Kontrolle.
So weit so gut, doch kommen wir zum absurden Teil an dem Ganzen: Einerseits durften einige Leute komplett an der Durchleuchtung vorbeilaufen und andere mussten ihre dicken Jacken nicht kontrollieren lassen. Besser sind da nur noch die Sicherheitskontrollen in der U-Bahn, entweder schläft oder spielt der Monitorbetrachter, oder es werden auch dort Ausnahmen gemacht: Als ob man in große Plastiktüten nicht genausoviel Bösartiges wie in gleichgroße Taschen stecken könne…
Wer sich durch solche Kontrollen sicherer fühlt, ist selber schuld. Im Museum gab es neben chinesischer, historischer Kunst, interessante Ausstellungen von Gemälden aus den Florentiner Uffizien und über den historischen Verbleib eines italienischen Missionars in China vor fast 500 Jahren. Und dann war da natürlich noch ein Besuch im Yu Yuan Park (40RMB), der seine Ursprünge in etwa zur gleichen Zeit hatte, als dieser Italiener hier im Lande herumstreunerte. Viele Pavillions, ein wahres Labyrinth von Wegen, Tunneln und Mauern und dazwischen Wasser und Botanik. Hübsch das Ganze! Zum Glück war mein Besuch in der Woche und das Wetter uselig kalt (knapp über Null) und kurz vor Regen, so dass sich die Besucherzahlen in Grenzen hielten. Ansonsten sollen Zehntausende Besucher täglich in den kleinen Park kommen. Wobei ich mir das Ganze dann nur noch klaustrophobisch und überhaupt nicht mehr nett vorstelle.
Einen kurzen Abstecher zum Aufwärmen bei einem Caramel Macchiato und in einer Fotogalerie (tolle große Aufnahmen von Shanghai, aber leider die Website nur ‚under construction‘) wollte ich mir das hochgelobte Viertel Xintiandi anschauen. Es wurde dort, wie bei uns in manchen historischen Gebäude oder alten Fabrikanlagen, Erlebnisgastronomie angesiedelt. Allerdings neugebaut und nur auf Alt gestylt. Die gleichen globalen Marken wie anderswo, Preise dagegen noch höher. Man kann dort sicher gut Essen gehen (bei passendem Wetter), aber es ist sehr überschaubar und wenigst einzigartig.
Immerhin gab es dort bei einem französischen Bäcker eine hervorragende, wenngleich nicht billige „Olive-Flute“, ein Minibaguette aus schwarzem Olivenbrot – Lecker. Ebenfalls empfehlenswert Coco Curryhouse – sehr leckeres Curry hier in Shanghai, drei Block von der Schule entfernt und wie ich der Karte entnahm, eine japanische Kette mit fast 1200 Filialen dort.
Ebenso empfehlenswert die Ajisen Ramen Nudelsuppenrestaurants, in japanischer Qualität.

Venedig lässt grüßen

Lijiang, China

Die Busfahrt verlief nicht ganz wie erwartet:
Die Abholung erfolgte zwar zur gebuchten Zeit, dann wurde ich jedoch an einer anderen Herberge abgesetzt und mir mitgeteilt, dass der Bus aufgrund einer außergewöhnlich großen Gruppe bereits gefahren sei. Aha?
Mir wurden dann noch eine ganze Reihe weiterer Lügen aufgetischt, warum die angegebene Abfahrtszeit immer wieder aufs Neue verschoben wurde. Los ging es nämlich erst zwei Stunden später, in einem überfüllten lokalen Kleinbus.
Ich zweifle stark, dass dies meiner gebuchten Leistung entsprach.
(Nachtrag: Dies gab das Busunternehmen auf Nachfrage des Gasthauses wohl auch zu und wollte mir den Fahrpreis erstatten – aus Ermangelung eines PayPal Accounts habe ich nun ein kaltes Bier und den Gegenwert einer Lijiang Busfahrt in Dali gut) Im Bus sitzt auch eine Tagesausflugsgruppe junger Chinesinnen, bei Ankunft fragt mich eine von ihnen, ob ich Chinesisch könne, da ich alleine unterwegs wäre, chinesisch wäre doch immerhin hilfreich. Da werde ich dann auch schon zum Gasthaus abgeholt. Ich begegne den Damen dann noch einmal im Drachenpoolpark, und unbedingt muß man Fotos von mir und mit mir machen. Direkt nach Ankunft habe ich einen Ausflug zur Tigersprungschlucht gebucht – hoffe ich zumindestens, dass der Sechs!!seitige Vertrag in zweifacher Ausführung einen Ausflug umfasst, und ich jetzt nicht einen Kaufvertrag für ein Sortiment Chinesischer Haushaltsgeräte unterschrieben habe. Alle Seiten fein säuberlich mit Symbolen gefüllt, keine Ahnung was da steht…
Ich wurde mit einem Kichern vorgewarnt, dass auf der Rückfahrt ebenfalls Shopping stattfinden würde – eine original chinesische Kaffeefahrt steht mir demnach bevor: Fahren, kurz aussteigen und anschauen, Mittagessen schlürfen und schmatzen (inklusive) fahren, Heizdecken? kaufen und zurück. Ich bin gespannt. Wenn Dali touristisch ist, so ist Lijiang das Epizentrum – vergleichbar mit Venedig auf dem Haupttouristenpfad von der Rialtobrücke zum Markusplatz: ein Stand neben dem anderen und vor lauter Schnickschnack sieht man die Häuser nicht mehr.
Lijiang ist aber auch schön. Besonders abends, denn man hat sich mit der stimungsvollen Beleuchtung viel Mühe gegeben.
Auf der „Barstraße“ ist dann allerdings Gehörschutz angebracht, denn in einer wahnsinnigen Kakophonie versuchen sich die Bars gegenseitig zu übertönen. Naximusik gegen Reggea, gegen Techno. In den meisten Restaurantbars versuchen (indianisch anmutende) Tanzgruppen Gäste anzulocken. Und zwischen all dem fließt ungerührt ein Bach hindurch.
Ich gehe in ein ruhiger gelegenes Restaurant mit Innenhof. Die außen aufgehangenen Preise finde ich in der englischen Speisekarte um den Faktor 2 bis fünf erhöht vor, aber mein teures Essen ist sehr gut, somit beinahe preiswert. Es will und will kein warmes Wasser aus dem Han kommen, weder in Stellung Rot noch Blau – nur eisig kaltes Wasser, nicht gerade verlockend an einem Morgen, der mit niedirg einstelligen Temperaturen grüßt. Ich fluche, verliert man dabei sein Gesicht gegenüber einer Duscharmatur? So ganz erschließt sich mir das Prinzip des Gesichtsverlustes immer noch nicht, mir kommt es meistens vor, dass dies für viele Menschen hier ein überholtes Konzept ist und nicht zu befolgen; Ellenbogen, die schamlose Demonstration von Besitz und eine Geschäftstüchtigkeit, die man Gier nennen kann, DAS scheinen mir die neuen Leitbilder. Ich melde mich für ein Frühstück an und weise auf das mangelnde Warmwasser hin.
Kein Warmwasser!?!? Katastrophe! Die Chefin kommt, der Cheftechniker, Kind und Hund eilen hinterher, alle ins Bad, alle Wasserhähne aufgedreht, aufgeregte Diskussion. Ist der abgeklemmte Boiler wirklich ersetzt durch einen neuen Anschluss? Aber tatsächlich nach minutenlangem Laufenlassen und Nachjustieren mit einem Schraubendreher (woran nur??) kommt endlich warmes Wasser aus der Leitung. Gerettet. Und der kleine Hund mit den großen Augen scheint auch nicht an meine Tasche gepinkelt zu haben…
Das Pinkeln holt dann der kleine Junge im Frühstücksraum nach, praktisch so eine Hose mit Freiluftanschluss: Einfach Laufenlassen. „Your child is leaking“, mehr fällt mir nicht ein, was ich den Damen in der Küche mitteilen könnte. Es wird dann aufgewischt, oder besser verwischt und der Hund bettelt unentwegt nach Essen. Mei you. Hab nix! Den Tag über geht es ins Mu Anwesen und auf den Löwenberg, wo sich auch ein Pagodenturm befindet. Beim Verlassen des Turmes werde ich von einer Dame mit einer roten, mit chinesischen Symbolen in Schwarz bedruckten Schärpe, regelrecht genötigt damit Buddha zu huldigen. Soweit so gut. Der „Mönch“ zu dem ich (zur Signatur?) der Schärpe geführt werde, hält mir nach ein paar Worten jedoch kackfrech einen Zettel vor die Nase, auf dem bereits der Betrag steht, den ich bereit bin zu spenden! Bereit sein soll, aber nicht bin. Mit Buddhismus hat diese Form der nötigenden Spendenextraktion meiner Meinung nach nichts mehr zu tun. Bei Dali stand es mir immerhin frei zu spenden, was ich möchte – vielleicht grenzwertig, aber noch akzeptabel. Wenn mir dagegen vorgegeben wird, 100 Yuan, umgerechnet 11 Euro zu geben – für was auch immer – dann mache ich nicht mehr mit. Ich legte die Schärpe vor ihm zurück auf den Tisch, sagte Bu, Mei you (Nein, nicht wollen) und stand auf und ging. So entgleist, wie mein Gesicht wohl angesichts der Dreistigkeit bereits war, konnte ich es nicht mehr verlieren.
Draußen wurde bereits die nächste Touristin abgefangen… Den Abend ging es mit kanadischen Chinesen, oder auch chinesischen Kanadiern (wobei die Eltern wohl mittlerweile in Hongkong leben) zuerst zu einem Spezial- Duofu (Tofu) und Yak-Geschnetzeltem Essen und anschließend zu einer recht langwierigen Jasmin- und Pu-Er-Tee Verköstigung. Ganz interessant, auch wenn ich dem (auf chinesisch) Gesagten nicht viel Verständnis entgegenbringen konnte. Gekauft habe ich keinen Tee (obwohl der recht gut war), denn jeder Einkauf bedeutet Zweieinhalb Monate zusätzlichen Ballastes. Kaffeefahrt zum Tigersprung Um 8:20 sollte es losgehen. Tatsächlich kam der Bus um kurz vor Neun. Trotz des sechseitigen Vertrages hatte die hochqualifizierte Tourismusagentur es geschafft, 31 plätze eines 30sitzigen Buses zu verkaufen. Und ich dummer Deutscher war der Letze, der zustieg und dementsprechend für die Businsassen der Quell allen Übels.
Es wurde losgefahren (50m weit), gestoppt und gezählt und telefoniert (Busbegleitung UND Fahrer), lautstark gezetert, die abgehakte Liste der Passagiere nochmals durchgegangen (könnte sich ja jemand eingeschlichen haben), nach Freiwilligen zum Aussteigen gesucht (Niemand), dann eine Umfrage gestartet (ich glaube, es ging darum mich hinauszuwerfen, oder zu erschlagen, um das Problem zu lösen, wobei mich vielleicht mein Sechsseitenvertrag davor bewahrt hat) und letztendlich durfte ich auf dem Notsitz der Busbegleitung Platz nehmen und wir fuhren los. Bis zum ersten Klostopp nach fünfzehn Minuten.
Dort durfte ich in einen anderen Bus, größer, neuer und mit freien Plätzen des selben Unternehmens umsteigen. Warum nicht gleich so?
Hier sei aber bereits erwähnt, dass dieser Bus den Nachteil hatte, NICHT wieder zum Ausgangsort zurückzukehren, sondern einen Kilometer nördlich der Altstadt hielt. („Achja, typisch chinesischer Service“ – O-Ton englischsprachiger Mitreisender)
Am dritten Stop hieß es dann raus aus dem Bus und rein in die Boote. Boote?
Von Schlauchbooten war doch nie die Rede gewesen, und umsonst wäre die Tour auch nicht, sondern schlappe 140 statt 168 Yuan (Ein Schnäppchen!!), wobei die gesamte Bustour 100 Yuan gekostet hat…
Ich also sage: Nix Boot! Und nehme auch die als wer weiß wie schlimm vorgetragene Busfahrt mit riiiiiiiiiiesen Umweg (aber umsonst :-)) in Kauf, wie auch einige andere Chinesen, mit derem Argument „tai gui“ (zu teuer) ich vollkomen d’accord gehe.
Erneuter Stop kurze Zeit später, um die Boatpeople wieder einzusammeln. Unterhaltung bei Erdbeeren mit einem Taiwanesisch-Dänischen Paar. Von einer Bootsfahrt durch eine Schlucht kann keine Rede sein, ich bin heilfroh den Bus statt dem Boot genommen zu haben, mit Aussicht auf den Fluß.
Dann geht es zum Mittagstisch, original Gruppenchinesisch. Kein Highlight, aber akzeptabel.
Und schließlich, Ankunft um Zwei, an der Tigersprungschlucht, doch nur am oberen Teil, denn aufgrund von Strassenreparaturarbeiten sind die weiteren Abschnitte mit dem Bus momentan nicht zu erreichen.
Der Rikschaträgertauglich ausgebaute Weg führt dicht am Wasser, inmitten der Steilwände entlang und es wurden einige Tunnel tief durch die Felsen getrieben, da überhängendes Gestein in der Schlucht den unbändigen Drang hat, der Schwerkraft zu folgen und zu offensichtlichen (tonnenschweren) Problemen führte…
Es ist gerade genug Zeit für eine Wanderung (Spaziergang), bis es nicht mehr weiter geht und zurück, immer einen skeptischen Blick nach oben, auf die bedenklich lose erscheinenden Felsbrocken, dann ab in den Bus und am Rande von Lijiang in eine riesige Jade-Verkaufshalle: Shopping.
Mir erscheint es absurd, das Leute in einem solchen Tempel des Kommerzes Geldscheine in einen Glaskasten werfen, in dem zum Kauf angebotene Buddhafiguren aus Jade ausgestellt sind, aber wahrscheinlich fehlt mir dafür die nötige Sozialsierung. Deutlich genervt von der Rückfahrt, und ihrem abrupt zu frühen Ende, heitert mich die herzlich lachende Gasthausbetreiberin wieder auf und ich begebe mich in ihr Restaurant zum Abendessen, auch weil das Yak am Vortag war sehr lecker war.
Ich bestelle Naxi style Vegetables und bekomme einen riesgen Topf mit Gemüse und vereinzelten Trockenfleischstücken darin serviert. Sehr lecker, aber zuviel für eine Person. Aber nach guter chinesischer Manier esse ich soviel ich kann.